Ich kann mich nicht damit auseinandersetzen, daß ich schwarz bin - das ist ein Faktum. Ich habe Schuhgröße 41, da kann ich nichts dran ändern.
Selbstbewußt bekennt sich die Sopranistin Martina Arroyo zu physischen Gegebenheiten, von denen man annehmen möchte, sie spielten keine Rolle mehr. Aber die Intendanten und Impresarios, die Dirigenten, die Kritiker und auch das Publikum haben sich immer wieder mit dieser Äußerlichkeit auseinandergesetzt: mit der Farbe der Haut. Anders als ihre Kollegen im Jazz mussten die schwarzen Sänger in der Oper immer neu beweisen, daß sie trotz ihrer Rasse in der Lage sind, abendländische Werte zu vermitteln, ja dass sie nicht nur den Porgy und auch nicht nur die Aida, sondern eben auch die Gräfi n im Figaro glaubhaft zu verkörpern vermögen.
Der zweiteilige Film Aidas Brüder und Schwestern von Jan Schmidt-Garre und Marieke Schroeder erzählt dieses unbekannte Kapitel Opern- und Gesangsgeschichte, das von Marian Andersons spätem Debüt an der New Yorker Metropolitan Opera im Jahr 1955 bis zu den jungen Gesangsschülern der Harlem School of the Arts reicht, die sich in wiedererwachtem Stolz mit ihrer black experience identifi zieren. Mit sehr persönlichen Worten beschreiben die großen schwarzen Sänger, von Leontyne Price über Grace Bumbry, Shirley Verrett und viele andere bis zu Barbara Hendricks, ihre Position in jenem Spannungsfeld von Tradition, Politik und Kunst, in dem schwarze Künstler bis heute immer wieder gezwungen sind, ihren Platz zu fi nden. Mit den Worten Betty Allens: Man ist nie einfach nur ein Sänger, man ist ein schwarzer Sänger. Die Last, dreißig Millionen Leute auf dem Rücken zu tragen, behält man sein Leben lang.
Viele unbekannte Gesangsbeispiele erscheinen in neuem Licht: ein bewegendes Ave Maria mit Marian Anderson unter Leopold Stokowski, ein kämpferisches Ol` Man River , vom Kommunisten Paul Robeson in einem Moskauer Open Air-Konzert präsentiert, umrahmt von Solidaritätsrufen in fl ießendem Russisch die darstellerischen und stimmlichen Wunderwerke von Reri Grist (als Zerbinetta und Oscar), eine ozeanische Ariadne von Jessye Norman und vieles mehr.