Mirko Hübners Reversum: Rückwärts durch die Zeit ist ein Science-Fiction-Roman, der auf den ersten Blick recht handlich daherkommt aber inhaltlich ein echtes Gedankenkarussell in Gang setzt. Ich gebe zu: Der Einstieg fiel mir nicht leicht. Anfangs wirkte alles etwas chaotisch, die Erzählweise ungewohnt, die Idee schwer zu greifen. Doch wer dranbleibt, wird mit einer Geschichte belohnt, die sich immer weiter steigert und schließlich eine faszinierende Sogwirkung entfaltet.
Die Handlung beginnt noch ganz bodenständig: Neven will seiner Freundin Amina einen Heiratsantrag machen, besucht dafür seinen Freund Ben einen promovierten Kernphysiker mit einer Schwäche für Science-Fiction und Paralleluniversen. In einem alten Fabrikgebäude bei Frankfurt hat Ben ein geheimes Labor eingerichtet, in dem er ein Experiment durchführen will, das den Beweis für ein Paralleluniversum liefern soll. Natürlich geht etwas schief und plötzlich läuft für Neven die Zeit rückwärts.
Was danach passiert, ist eine Mischung aus Wissenschaft, Philosophie und purer Spannung. Besonders gelungen finde ich das Gesamtkonzept des Buches: Schon das Design spielt mit der Idee der Umkehrung von den rückwärts geschriebenen Überschriften bis zu den in der Sanduhr enthaltenen Zahlen, die ebenfalls rückwärts gezählt werden. Hübner hat hier nicht einfach eine Zeitreisegeschichte geschrieben, sondern ein komplexes Gedankenexperiment, das mit der Wahrnehmung des Lesers spielt.
Der Roman verlangt Aufmerksamkeit. Es ist kein Buch, das man nebenbei lesen kann man muss sich wirklich darauf einlassen, um den Faden nicht zu verlieren. Doch genau das macht den Reiz aus: Nach und nach beginnt man, sich in diesem Rückwärts-Universum zurechtzufinden. Und plötzlich ergibt alles Sinn. Besonders spannend ist, wie Hübner die emotionalen Aspekte der Geschichte mit der wissenschaftlichen Idee verknüpft. Neven entdeckt nicht nur neue Seiten der Realität, sondern auch seiner Beziehung zu Amina und vielleicht sogar zu sich selbst.
Die Sprache ist bildhaft und plastisch, ohne sich in Details zu verlieren. Der Autor lässt genug Raum für die eigene Fantasie, sodass man sich die Welt selbst zusammenbauen kann. Man sieht die Szenen förmlich vor sich, spürt die Verwirrung, das Staunen, den leisen Schrecken, wenn die Zeit plötzlich rückwärts fließt.
Das Ende ist ein klassischer Cliffhanger, der einen ungeduldig auf Band zwei warten lässt. Man legt das Buch nicht einfach weg man will wissen, wie es weitergeht, was hinter dem Phänomen steckt und ob Neven jemals wieder in seine richtige Zeit zurückfindet.
Alles in allem ist Reversum: Rückwärts durch die Zeit kein einfaches, aber ein lohnendes Buch. Es fordert den Kopf, reizt die Vorstellungskraft und spielt mit der Logik und genau das macht gute Science-Fiction aus. Nach einem etwas holprigen Start hat mich Hübners Idee komplett gepackt. Wer Spaß an klugen Zeitexperimenten, Paralleluniversen und ein bisschen Gehirnakrobatik hat, wird hier auf seine Kosten kommen.
Ich freue mich jetzt schon auf den zweiten Band und hoffe, dass die Zeit bis dahin nicht rückwärts vergeht.