Stilistisch mitreißend und bildhaft, ein echter Pageturner ¿ doch seltsam flüchtig im Nachklang.
Sebastian Barrys Jenseits aller Zeit ist ein sprachlich eindrucksvoller Roman, der mit großer Bildhaftigkeit und erzählerischem Fluss besticht. Der Stil ist dabei so lebendig und präzise, dass man mühelos durch die Seiten gleitet - ein sogenannter Pageturner, der zunächst tief hineinzuziehen vermag.Was Barry besonders gut gelingt, ist die Atmosphäre: Es entsteht eine emotionale Dichte, die zwischen Erinnerung, Geschichte und innerer Welt der Figuren changiert. Es ist eine Sprache, die nicht nur beschreibt, sondern auch spürbar macht - und das auf eine Weise, die weder überladen noch künstlich wirkt.Doch trotz all dieser Stärken blieb nach der Lektüre ein seltsam leerer Nachgeschmack. Schon wenige Tage nach dem Lesen fiel es mir schwer, die zentralen Handlungsstränge oder emotionale Höhepunkte klar zu erinnern. Der Roman wirkt nach außen hin kraftvoll, hinterlässt aber innerlich überraschend wenig Spuren. Es ist, als würde man sich an eine schöne Landschaft erinnern, ohne noch zu wissen, warum sie beeindruckend war.Im Vergleich zu vielen anderen Werken der zeitgenössischen, preisgekrönten Literatur ist Jenseits aller Zeit definitiv zugänglicher und mitreißender. Man verliert sich gern in Barrys Sprache, in seinen Figuren, in den leisen Zwischentönen. Und dennoch bleibt die Frage offen: Reicht sprachliche Virtuosität allein aus, um wirklich zu berühren?Vielleicht liegt es an der Komposition der Handlung oder an einer gewissen narrativen Unschärfe, dass das Buch nicht langfristig in Erinnerung bleibt. Vielleicht ist es gerade diese Flüchtigkeit, die Teil seiner Wirkung sein soll. In jedem Fall lässt es mich ambivalent zurück - beeindruckt vom Stil, unsicher über den bleibenden Wert.Ein lesenswertes Buch, zweifellos. Aber eines, dessen Eindruck sich schneller verflüchtigt, als man es zunächst vermuten würde.