Eine Hommage an eine Unbequeme - eine Leseempfehlung
Dem österreichischen Autor und Filmemacher Gerhard J. Rekel von dem ich bereits die Biografie von Georges Nagelmackers, besser bekannt als Monsieur Orient-Express, gelesen habe, ist mit seinem Buch über Lina Morgenstern eine besondere Hommage an eine ungewöhnliche Frau gelungen.
Lina Morgenstern, geborene Bauer, (1830-1909) wächst in einem bürgerlichen jüdischen Haushalt zunächst in Breslau, dann in Berlin auf. Sie ist intelligent und widersetzt sich den Bemühungen ihrer Eltern einen vermögenden jüdischen Mann zu heiraten, genauso wie den damals üblichen Konventionen, die für Frauen nur Kinder, Küche und Kirche (auch wenn es in Linas Fall Synagoge heißen muss) vorsieht. Sie sieht das Elend der Heim- und Fabrikarbeiterinnen sowie deren Kinder. Ausgerechnet während der Feier zu ihrem 18. Geburtstag gründet sie den Pfennigverein zur Unterstützung armer Schulkinder und bittet die zahlreichen Gäste um Spenden.
Mit 24 Jahren heiratet sie gegen den Willen ihrer Eltern Theodor Morgenstern (1827-1910). Als Theodor mit seinem Modegeschäft pleite geht, steht die Familie mit fünf Kindern nahezu mittellos da. Sie schreibt mehrere Kinderbücher, die zu Bestsellern werden. Überhaupt ist ihr eine pädagogische Betreuung der Kinder ein Anliegen. Sie gründet in Berlins Arbeiterbezirken Kindergärten, schreibt ein Handbuch über die Ausbildung von Kindergärtnerinnen und muss sich wieder mit der Obrigkeit herumschlagen, der ihre Aktivitäten ein Dorn im Auge sind. Moralische und finanzielle Unterstützung erhält sie ausgerechnet von Preußens Königin Augusta.
Die Gründung des Pfenningvereins ist nur der Auftakt zu einer lebenslangen Wohltätigkeit, mit der sie immer wieder ins Visier von Behörden und Antisemiten gerät. Denn als nach dem Preußisch-Österreichischen Krieg (1866) und Deutsch-Französischen Krieg (1870/71) Volksküchen und Lazarette für verwundete Soldaten gründet, in denen auch die gegnerischen Soldaten behandelt werden, erntet sie statt Lob und Anerkennung nur Hass.
Später gründet sie eine Zeitung von Frauen für Frauen, schrammt immer wieder haarscharf an Zensur, Antisemitismus und Patriarchat vorbei. Als sie den ersten Internationalen Frauenkongress in Deutschland veranstaltet, bekommt sie es mit ihren kommunistischen und sozialistischen Geschlechtsgenossinnen wie Clara Zetkin zu tun, der im Kampf gegen die Bourgoisie jedes Mittel recht ist. Zetkin & Co wollen zuerst das Kapital vernichten und anschließend die Frauen befreien. Dass das in der Praxis nicht funktionieren wird, weiß man erst später.
Eine Ironie des Schicksals ist es, dass ausgerechnet die Nazis ihre Volks- und Suppenküchen in ihr Terrorregime übernehmen.
Fazit:
Dieser penibel recherchierten Biografie einer wahrhaft großen Frau, der die Anerkennung ihres Engagement Zeit ihres Lebens nicht nur versagt geblieben ist, sondern zahlreichen Schmutzkübelkampagnen ausgesetzt war, gebe ich eine Leseempfehlung und 5 Sterne.