Sehr bewegender, intensiver Roman
"Dies ist die Geschichte von Kriegen, die Frauen zugrunde richten. Denn bewaffnete wie intime Kriege werden am weiblichen Körper ausgetragen. Jenen Frauen, die fallen, und jenen, die sich wieder aufrichten, in der Hoffnung auf ihre Heilung." In ihrem Roman "Die Frauen von Bidi Bidi" erzählt Charline Effah die Geschichte der Krankenschwester Josephine. Nach der Flucht vor ihrem gewalttägigen Ehemann arbeitete sie in einem Flüchtlingscamp in Uganda. Eigentlich war dies nur als Übergang gedacht, aber sie blieb vierzig Jahre. "Mein Vater sagte einmal, Frauen hätten Flügel und die Federn dieser Flügel seien aus dem gleichen Stoff wie die Resilienz. Darin liege der Ursprung all ihre Dreistigkeiten. 'Deshalb', erklärte er in seinen nächtlichen Selbstgesprächen, die die Stille unserer Wohnung durchbrachen, 'musst du, wenn eine Frau für immer dir gehören soll, nicht ihr Herz erobern. Du musst ihr die Flügel brechen, ihre Sehnen durchtrennen, die Wurzeln ausreißen, verbrennen und ihre Asche in fließendes Wasser streuen. So verletzlich und nackt wie ein gestutztes Vögelchen wird sie ganz von dir abhängig sein.' Doch meine Mutter hatte ihre gebrochenen Flügel wieder ausgebreitet." Nach dem Tod von Josephines Ehemann entdeckt deren gemeinsame Tochter Minga, die sie damals in Paris zurückließ, ihre Briefe. Minga beschließt, mehr über das Leben ihrer Mutter und deren Tod herauszufinden und reist nach Uganda. Im Geflüchtetenlager "Bidi Bidi" leben Menschen, hauptsächlich Frauen, die im Bürgerkrieg alles verloren haben. "In einem Flüchtlingscamp trugen Frauen wie sie die Narben zweier Kriege: die der Waffen und die der Entwürdigung." Aus der Sicht von Minga lernen wir die Schicksale der Frauen im Flüchtlingscamp kennen. Nach und nach setzt sich die Geschichte dreier Frauen zusammen, deren Leben sich im Camp gekreuzt hatten. "Die Frauen von Bidi Bidi" ist ein Roman der leisen Töne, der mich vom ersten Moment an in den Bann gezogen hat. Besonders die Beschreibung des Lebens und der Atmosphäre im Camp hat mich sehr berührt.All diese Schicksale, die Enge, die niemals endende Angst, aber auch die Würde der Menschen, die sie sich nicht nehmen lassen (wollen). "Das Leben in Bidi Bidi mochte noch härter sein als jenes davor, aber dafür hatte Veronika keine Angst mehr - doch sie wusste, dass ihr Mann anders darüber dachte. Für ihn war dieses Leben, in dem man den Vertriebenen einen Fleck Erde zuwies, neue Zelte errichtete, in denen man menschliches Elend an vorangegangenes Elend reihte, nur eine kurze Pause, ein Zwischenakt, um sich von der Angst zu erholen. Niemand wusste, wie lange diese Atempause andauern, ob es bis ans Ende ihrer Tage so weitergehen würde. Für Mose war Bidi Bidi ein Friedhof, auf dem sie alle lebendig begraben waren, ein Massengrab ohne Stele, ohne Gedenkstein. Die Geschichte der Geflüchteten war eingeschrieben in eine zensierte Zeit, einen aufgeschobenen, abstrakten und künstlichen Raum, der Mose wie ein Stein im Schuh nicht zur Ruhe kommen ließ. Denn er hoffte, dass die Konflikte eines Tages enden würden und niemand mehr die Grenze passieren müsste, dass die Überlebenden bleiben und die Geflüchteten zurückkehren könnten." "Die Frauen von Bidi Bidi" ist ein wichtiger, berührender und intensiver Roman, der noch lange in mir nachwirken wird.