InhaltRaisa lebt allein mit ihrer Mutter Martha und das schon immer. An ihren Vater hat sie keine Erinnerung. Ihr Name ist das Einzige, was sie von ihm bekommen hat - besser so, sagt Martha. Doch Raisa beginnt, Fragen zu stellen. Als der Nachbarsjunge Mat verschwindet, beginnt Martha zu erzählen. Von der Großmutter Dina. Von Lügen, die schützen, und Lügen, die in Gefahr bringen. Von der Liebe ihres Lebens und ihrem größten Verlust. Rabea Edel zeichnet in ihrem Buch die bewegende Lebensgeschichte ihrer Mutter und das Portrait einer Nachkriegsgeneration, die im Schatten der Gewalt und des Schweigens aufgewachsen ist. Sie erzählt von der Kraft der Liebe und von der Rückeroberung der eigenen Geschichte durch die Sprache. Ein Buch wie ein Kaleidoskop, das vor allem die Frauen in den Blick nimmt - und die weibliche Fähigkeit, sich immer wieder neu zu erfinden.CoverEin Frauenbild welches das Thema des Buches aufgreift. In etwas blassen Farben und vom Gesichtsausdruck eher traurig als kämpferisch.Ein Wort vornewegIch schreibe meine Rezensionen persönlich. Dadurch können meine Rezensionen ansatzweise sowohl Spoiler als auch Analysen und Bewertungen enthalten, wobei der Schwerpunkt immer auf meinen persönlichen Eindrücken liegt. Mein EindruckEin interessanter Schreibstil und ein stetiger Wechsel zwischen der Gegenwart und der Vergangenheit. Zum Glück gibt es Jahreszahlen in den Überschriften und zu Beginn den Familienstammbaum. Dies war spätestens im Mittelteil zur Orientierung sehr wichtig.Den Anfang fand ich gut und es gab so einige Sätze, die ich mir notiert habe, z.B. "Wir ahnten nur, dass es da irgendetwas gab, was nicht erzählt worden war und nicht erzählt werden würde, von unseren Müttern nicht und von den anderen ringsum nur hinter vorgehaltener Hand. Wir erkannten es in den Blicken, im Wegdrehen des Kopfes, im Flüsterton, den wir als das Fiepsen einer Maus wahrnehmen oder als den Hunger eines kleinen Vogels der im Nest saß und rief."Wie man erkennen kann, sind manche dieser Sätze sehr lang und da braucht es schon einiges an Konzentration, um die Botschaft dahinter zu erkennen. Dieser zitierte Satz zeigt ein Phänomen der Vergangenheit auf, wo die Mütter und auch Väter geschwiegen haben anstatt offen miteinander und mit den Kindern zu kommunizieren. Dieses Schweigen, um uns Kinder zu schützen, kenne ich aus eigener Erfahrung und dazu passt der nachfolgende Vergleich sehr gut:"Ich habe einen Tintenfisch auf meinem Kopf sitzen und seine Arme sind meine Haare und meine Gedanken. Meine Gedanken sind blau und stinken nach vergammeltem Fisch"Die Kindheit war eher ruppig und geprägt von diesem lauten Schweigen, diesen Lügen über die Vergangenheit. Die Geister hafteten wie Klebstoff am Körper, wie Kleider die man nicht ablegen kann.Nachdem ich den Anfang noch sehr gelungen fand, gefiel mir der Mittelteil immer weniger. Es war schwierig zu lesen und brauchte sehr viel Konzentration. Die Wechsel der Jahreszahlen, Zeiten der Geschehnisse und der Personen neben den Müttern gingen mir zu sehr durcheinander und dadurch verlor ich manches Mal den roten Faden im Ablauf. Wer hatte eigentlich mit wem eine Verbindung? Das Ende brachte dann wieder ein wenig mehr Klarheit in die Geschichte.FazitEine Aufarbeitung der Vergangenheit der Frauen in einer Familienlinie, wobei die Mütter selber den geringsten Anteil daran hatten. Sie haben lediglich versucht sich in den Gegebenheiten der jeweiligen Zeit anzupassen und aus meiner Sicht eher überlebt als aktiv ihr Schicksal selbst zu gestalten. Erst die Kinder haben es geschafft einen neuen Weg zu beschreiten. 250516