Inhalt:
Velia hat ihre Mutter verloren. Die Müllerstochter ist zutiefst verletzt, aber auch fuchsteufelswild, denn es war des Königs fanatischer Hexen-Hass, der ihre Mutter, eine Kräuterkundige, das Leben gekostet hat. Sie begibt sich auf einen Rachefeldzug, mit dem Ziel die Hexenverbrennungen zu beenden. Ein Entschluss mit Folgen.
Meine Meinung:
Mögt ihr Märchenadaptionen? Ich für meinen Teil ja. Der Stoff dieser Geschichten ist oft lehrreich und selbst wenn nicht, bin ich doch mit vielen dieser Erzählungen aufgewachsen und freue mich, wenn ihnen der Staub aus den Zeilen geklopft wird, um sie zeitgemäß zu machen. Allerdings hat das bei mir Grenzen, denn ich möchte am Ende das Märchen noch wiedererkennen.
Entsprechend gut hat mir Tori Steens Interpretation von Rumpelstilzchen gefallen. Sie erfindet die Geschichte nicht völlig neu, oder transferiert sie in die Gegenwart, sondern gibt ihr mehr Kontext und Background. Ein bisschen, wie bei einem historischen Roman, bei dem die Eckdaten existieren, aber die verbindende Story Fiktion ist.
Velia ist eine sympathische Protagonistin, deren Beweggründe für ihren Feldzug nur allzu sehr nachvollziehbar sind. Geschickt lässt die Autorin hier die verheerenden Konsequenzen der Inquisition aus realer Geschichte einfließen.
Ein bisschen naiv nutzt Velia selbst einen Aberglauben nur am Ende ein wenig wie der berühmte Zauberlehrling dazustehen, der "Die ich rief, die Geister, werd ich nun nicht los." ruft.
Mit Fabio hat Tori ihrer Protagonistin einen Prinzen an die Seite gestellt, der zunächst eher ein Möchtegernprinz ist. Ein sehr interessanter Charakter, bei dem man sich nicht sicher ist, ob er nun eher zum Guten oder Bösen tendiert. Der innere Konflikt zwischen dem Streben nach sozialem Aufstieg und seinem Gewissen und die daraus resultierenden Taten, sind stark herausgearbeitet.
Überhaupt gibt es in Tori Steens Interpretation viel Grau bis schwarz und wenig Weiß. Selbst Velia hat ihre dunklen Seiten und muss sich mit ihnen auseinandersetzen.
Eine tolle Interpretation dieses klassischen Märchens, die neue Seiten und Perspektiven liefert und damit zum Nachdenken anregt, ohne sich in krampfhafter Modernisierung zu verlieren.
Für Märchenfans eine absolute Leseempfehlung.