Farina Eden hat mit diesem Roman ein sehr intensives Leseerlebnis geschaffen. Schon nach den ersten Seiten war ich mitten in Ostberlin 1989 und habe die Atmosphäre gespürt das Aufbegehren, die Unsicherheit und diese besondere Mischung aus Hoffnung und Angst, die in der Luft lag. Die Autorin schreibt so nah und lebendig, dass man den grauen Alltag und gleichzeitig den Aufbruchssturm dieser Zeit förmlich miterlebt.
Besonders Anni hat mich beeindruckt. Ihre Leidenschaft für Literatur, ihr Mut und ihr unerschütterlicher Glaube an die Kraft der Worte haben mich berührt. Gleichzeitig merkt man, wie schmerzhaft es ist, wenn Vertrauen zerbricht und man nicht mehr weiß, wem man sich noch anvertrauen darf. Dass mitten in Freundschaft und Gemeinschaft plötzlich Verrat, Misstrauen und Willkür stehen, hat mich sehr bewegt.
Sehr eindringlich fand ich auch die Einblicke in die Methoden der Stasi. Wie subtil eine Überwachung begann, wie aus beiläufigen Begegnungen plötzlich Verhöre wurden und wie schnell man ins Visier geraten konnte, zeigt die Autorin mit großer Eindrücklichkeit. Es entsteht ein beklemmendes Gefühl, wenn klar wird, dass jedes Wort, jede Begegnung und sogar Freundschaften von Kontrolle überschattet sein können. Diese Szenen haben mich besonders nachdenklich zurückgelassen, weil sie zeigen, wie lähmend Misstrauen in einem System wirken kann.
Ich fand es spannend, wie geschickt die Autorin die literarische Untergrundszene beschreibt nicht als Kulisse, sondern als Herzstück dieser Generation. Die heimlichen Treffen, das Risiko bei Lesungen und die verbotenen Texte wirken greifbar und authentisch. Dabei geht es nie nur um Geschichte, sondern immer auch um Menschen, um ihre Träume und ihre Angst, die falsche Entscheidung zu treffen.
Auch wenn man weiß, dass der Mauerfall kommen wird, bleibt das Buch bis zum Schluss spannend, weil es eben nicht nur um das große historische Ereignis geht, sondern um das Schicksal einzelner, die genau in diesem Moment mitgerissen wurden. Man liest von Auftrittsverboten, von Verhören und schließlich von Annis Haft und spürt, wie sehr diese Zeit auf den Schultern der jungen Leute lastete.
Der Schreibstil ist klar und zugleich sehr atmosphärisch. Es gibt Sätze, die man sich am liebsten markieren möchte, weil sie so eindrücklich das Lebensgefühl von damals festhalten. Ich habe beim Lesen oft innegehalten, weil mich einzelne Szenen sehr bewegt haben.
Am Ende blieb bei mir ein Gefühl von Respekt für die Figuren, die ihren Weg zwischen Aufbruch, Verrat und Freundschaft suchen mussten. Und gleichzeitig die Erinnerung daran, dass Freiheit nie selbstverständlich ist.
Für mich ist Als wir vom Aufbruch träumten ein fesselnder, emotionaler Roman, der geschichtliche Ereignisse, persönliche Schicksale und die beklemmende Präsenz der Stasi überzeugend verbindet. Ein Buch, das nachhallt. 5 Sterne und eine klare Leseempfehlung.