Kristina Hauffs Roman Schattengrünes Tal ist ein leiser, aber intensiver psychologischer Spannungsroman, der sich schleichend unter die Haut legt. Im Mittelpunkt steht Lisa, eine Frau in der Lebensmitte, die sich zwischen familiärer Verantwortung, der maroden Existenz des elterlichen Hotels und ihrer eigenen Rolle als Ehefrau und Tochter aufreibt. Sie ist jemand, der stets gibt, unterstützt, vermittelt aber selbst kaum etwas zurückbekommt. Gerade diese stille Selbstaufgabe macht Lisa zu einer Figur, mit der man schnell mitfühlt.
Der Roman spielt in einem heruntergekommenen Hotel mitten im Schwarzwald, einem stimmungsvollen, beinahe mystischen Schauplatz, der perfekt zur unterschwelligen Spannung der Geschichte passt. Die Handlung setzt mit dem plötzlichen Erscheinen von Daniela ein einer geheimnisvollen Frau, die sich dauerhaft im Hotel einmietet und bald immer stärker in Lisas Leben eindringen wird. Während Daniela in der Dorfgemeinschaft rasch Fuß fasst, gerät Lisas Umfeld zunehmend ins Wanken bis hin zur Entfremdung ihres Ehemanns.
Besonders gelungen ist der Wechsel der Erzählperspektiven: Die Kapitel aus der Sicht von Lisa, ihrem Vater Carl, der Angestellten Margret und Lisas Mann Simon geben der Geschichte Tiefe und erlauben einen vielschichtigen Blick auf die Geschehnisse. Dass ausgerechnet Danielas Sicht fehlt, macht die Figur noch undurchschaubarer und verstärkt das Gefühl von Bedrohung und Unsicherheit.
Hauff gelingt es, auf subtile Weise die Dynamiken toxischer Beziehungen, emotionale Vernachlässigung und die Folgen übermäßiger Anpassung zu zeigen ohne je in Klischees oder Übertreibungen abzudriften. Gerade die psychologische Entwicklung Lisas, ihr langsames Erwachen und ihre bittere Erkenntnis über das Verhalten der Menschen in ihrem Umfeld, ist eindrucksvoll geschildert.
Trotz der eher ruhigen Handlung bleibt die Spannung konstant hoch. Die Atmosphäre ist dicht, der Ton eindringlich, und immer schwebt eine gewisse Bedrohung in der Luft. Das Buch liest sich flüssig, die Kapitel sind angenehm kurz und treiben die Geschichte gut voran. Auch die Landschaftsbeschreibungen fügen sich stimmungsvoll ein und unterstreichen die melancholisch-düstere Grundstimmung des Romans.
Fazit: Schattengrünes Tal ist ein feinfühliger Roman über Manipulation, emotionale Abhängigkeit und die Suche nach Selbstbestimmung. Wer psychologisch dichte Geschichten mit leisem, aber nachhaltigem Spannungsaufbau mag, wird hier definitiv fündig. Ein stilles, aber starkes Buch. 5 Sterne und eine Leseempfehlung.