Ruhiger, feinfühliger Roman über Selbstfindung und Familienkonflikte
Im Roman "Blaue Tage" von Tatjana von der Beek werden Leo und ihre Schwester Emma von ihrem Vater anlässlich seines 60. Geburtststags überraschend zu einer Reise nach Griechenland eingeladen. Der Vater hatte lange Zeit kaum Kontakt zu seinen Töchtern, weshalb vor allem Leo wenig begeistert von der Reise ist. Sie lässt sich jedoch von Emma überreden. Gemeinsam mit ihren Partnern geht es auf einen Segeltrip auf einem Katamaran.Das fein beobachtete Kammerspiel dreht sich nicht nur um die komplizierten Familienbande, sondern auch um Leos inneren Kampf: Eigentlich hatte sie mit ihrem Partner Karl vereinbart, die Pille abzusetzen, er möchte endlich Vater werden. Doch Leo nimmt die Pille heimlich weiter - sie rechnet damit, bald eine wichtige Projektleitung zu bekommen und möchte deshalb jetzt nicht schwanger werden. "Eine der Tatsachen, die kaum jemand über mich weiß: Dass ich lügen kann, ohne mit der Wimper zu zucken." Eigentlich ist Leo sich überhaupt unsicher, ob sie wirklich ein Kind möchte: "Er kann es kaum eine Woche für sich behalten. Etwas stört mich an dem Wir. Nicht er würde schwanger werden, sondern ich. Ich würde Rückenschmerzen bekommen, Übelkeit und Sodbrennen. Ich würde eine Geburt durchleiden, nicht er." Ihre Schwester Emma und ihr Parner Onur dagegen würden beide alles tun, um endlich ein Kind zu bekommen. Leider klappt es nicht, weshalb sie eine Kinderwunschbehandlung beginnen werden. Nach einem missglückten Segelmanöver ist die Stimmung am Kippen und Leo droht, die Reise abzubrechen. Nur unter der Bedingung, dass die Skipperin Alex, die ihre Hilfe anbietet, auf der weiteren Reise dabei sein wird, geht es für alle weiter.Doch Leo entwickelt ungeahnte Gefühle für Alex - sie und erinnert sich auch, dass sie schon einmal solche Gefühle für eine Frau hatte, diese jedoch nicht ausgelebt hatte. Das bereut sie heute - vielleicht muss sie ihren Lebensentwurf nochmal komplett überdenken? "Dass das Aufschieben der Schwangerschaft vielleicht nur ein Zeichen dafür war, dass etwas anderes nicht stimmt. Dass es sich wie etwas anfühlt, dass ich nicht mehr aufhalten kann." Doch Leo hadert mit sich: "Wenn ich zurück in Hamburg bin, wird die Alternative zu meinem Leben mit Karl nicht Alex sein. Es wird ein waberndes Nichts sein. Alex wird zur Erinnerung werden, so wie Vivienne. Keine Realität annehmen, die diesen Urlaub überdauern kann. Da werde ich sein. Punkt." "Alle werden von Bord gehen. In ihrem Leben fortfahren. Während mich diese Woche verschluckt. Ich an die Wände ihres hohlen Bauches treibe." Auch ihr Vater hat noch ein Geheimnis, welches sich erst am letzten Ziel der Reise lüften wird ...Mehr möchte ich hier nicht zum Inhalt verraten, um nicht zu spoilern. "Blaue Tage" ist ein feinfühliger Roman der leisen Töne, viele Konfikte finden im Inneren statt.Ich fand jedoch alle Charaktere sowie die Dynamik innerhalb der zerrütteten Familie sehr überzeugend. - 4¿¿