Man sollte sich von dieser ach so harmlosen Aufmachung und der oberflächlichen Storybeschreibung nicht täuschen lassen: Hinter diesem Roman verbirgt sich eine tiefe, tiefe Schlucht! Auch wenn es zunächst nicht danach aussieht, entwickelt sich Flimmerkatze Kittylectric gerade in der zweiten Hälfte aus meiner Sicht zu Rennickes bislang nachhaltigstem Werk, mit einer ganz eigenen, nicht ungefährlichen Ideologie, die leicht fehlinterpretiert werden kann: Besonders der Punkt über die neunzig Prozent der Weltbevölkerung bzw. auf zehn Leute kommt nur ein Mensch! birgt auf den ersten Blick das Risiko eines menschenverachtenden Todeskults, hat in meinen Augen jedoch das genaue Gegenteil zum Ziel: (Denn wer soll sich hier über wen erheben, wenn von außen doch nicht zu erkennen ist, wer wahre Menschen und wer bloß Leute sind?) Hier wird auf geschickt provokante Weise versucht, Schranken einzureißen, einer Spaltung entgegenzuwirken. Der wahre Mensch sollte demnach mehr sein als die Religion, der er angehört, oder die politische Meinung, die er vertritt viel mehr! Trotz des mitunter wirklich morbiden Murder-Ballad-Themas in meinen Augen alles andere als ein Todeskult, eher eine bittersüße Hymne auf das, was den Menschen im Innern ausmacht komplexe, unergründliche Widersprüche mit allen Höhen und Tiefen! Eine Achterbahnfahrt durch die extremsten Seelenlandschaften, voller Schrecken und poetischer Schönheit!