Anna Katharina Fröhlich ist 23 Jahre alt, als sie dem damals 54jährigen Roberto Calasso begegnet und erkennt, dass diese Begegnung der schicksalhafteste Moment meines Lebens war. Roberto Calasso führte das Verlagshaus Adelphi in Mailand, einen unabhängigen Verlag, der ausgewählte Autoren in ästhetisch ansprechenden Ausgaben herausbrachte und auch deutsche Autoren wie Robert Musil oder Alfred Kubin dem italienischen Publikum zugängig machte. Calasso war schon damals, wie es der italienische Kulturminister ausdrückte, eine Säule des italienischen Kulturbetriebes.
Die junge Anna Katharina Fröhlich ist fasziniert von dem älteren Mann. Sie sieht in ihm Eleganz, Belesenheit, Weltläufigkeit, Ernsthaftigkeit, Kindlichkeit und Großzügigkeit. Sie überlegt, was sie zu bieten habe und kommt zum Schluss, dass sie über drei Mittel [verfüge], um Faszination auf Calasso auszuüben: meine Leidenschaft für Literatur, mein Leben in Mornaga und meine Schönheit.
Schönheit entsteht bekanntlich im Auge des Betrachters, nicht unbedingt im eigenen, und das Selbstbewusstsein, mit der die Autorin sich selber Schönheit attestiert, ist beachtlich. Was ihre Leidenschaft für Literatur betrifft, erkennt sie jedoch im reflektierenden Rückblick, dass sie ihren Vater, Hans Jürgen Fröhlich, seit seinem frühen Tod wie eine Heiligenfigur in ihrer Erinnerung herumtrug und erwartete, dass man sie als die Tochter des Schriftstellers ehrte. Ihr literaturaffines Elternhaus wenn man denn von Elternhaus sprechen will sorgte auf alle Fälle dafür, dass sie nach eigener Aussage ein scharfes Auge für Bücher entwickelt hatte. Auch wenn sie, durchaus mit Humor, sich selber eher mit einer Flickendecke vergleicht, die aus den all den Büchern gemacht sei, die sie bisher gelesen hatte. In der Liebe zu Literatur findet das ungleiche Paar eine tiefe und tragfähige Verbindung.
So wie die Autorin immer wieder von eigenen Selbstinszenierungen spricht, so inszeniert sie auch ihre Sprache. Sie ist sprachmächtig, unbestritten, aber ihre langen und umständlichen Schachtelsätze versperren immer wieder den Zugang zur Aussage.
Roberto Calasso starb im vergangenen Jahr im Alter von 80 Jahren, und mit diesem Buch setzt die Autorin der Liebe ihres Lebens ein Denkmal. Zugleich setzt sie sich selber in die Rolle einer geistigen Nachlass-Verwalterin und stärkt damit ihre Position bei den derzeitigen Auseinandersetzungen um das künftige Programm des Adelphi-Verlags.
Fazit: ein gedankenreicher Roman um Literatur, ein Selbstportrait der Autorin und ein differenzierter Nachruf auf Roberto Calasso.