Wenn ein junger Mann kurz nach den Olympischen Spielen in Berlin 1936 von Wien-Stadlau nach Amerika auswandern will, liegt es nicht nur daran, dass Stadlau alles andere als der Nabel der Welt ist, sondern daran, dass er entweder Jude, Kommunist oder schwul ist oder eine Kombination davon. Zunächst erfährt der geneigte Leser nichts über die Gründe, warum Felix auswandert. Die werden erst im Laufe der Geschichte offenbar. Felix Austria, wie man den 16-jährigen, der anfangs kaum ein Wort englisch spricht, nennt, will eigentlich nur der Enge von Stadlau entkommen.
Er schließt sich einem Zirkus an, der genossenschaftlich organisiert ist. Alles gehört allen, die Eintrittsgelder und Ausgaben werden gerecht aufgeteilt. Ein Modell, das höchst ungewöhnlich ist, fast kommunistisch anmutet. Die Welt in diesem Zirkus erscheint ihm voller Freiheit.Die Ensemblemitglieder sind ziemlich unterschiedlich. Felix teilt seinen Schlafplatz im Zirkuswagen mit Zazie, einem jungen Schwarzen. Als er sich in den Trapezkünstler Jack verliebt, ist klar, dass er Männer liebt. Gemeinsam arbeiten sie am Trapez bis eines Tages ein Unfall passiert und Felix sich die Schuld daran gibt. Hals über Kopf verlässt er den Zirkus und Amerika, zumal sich im Nachkriegsamerika die Zeiten ändern und Menschen, die andere Lebensformen als konservative Familien bevorzugen, als Kommunisten und Schwule vom Mob verfolgt werden. Der Traum von der Freiheit scheint ausgeträumt.
Doch auch seine ehemalige Heimatstadt Wien ist für Homosexuelle nach wie vor kein guter Platz. Gleichgeschlechtlich Liebende, egal ob Mann oder Frau, machen sich nach wie vor strafbar, weshalb einige von ihnen als Tarnung eine Scheinehe eingehen. Felix lernt Franzi kennen, der während der schlimmen Zeit, wie man die NS-Zeit beschönigend nennt, in einem KZ inhaftiert und gerade noch überlebt hat, kennen.
Wie die Geschichte weitergeht, müsst ihr schon selbst lesen ...
Meine Meinung:
Mit diesem Buch hat Christopher Wurmdobler einen berührenden Roman geschrieben, der lesenswert ist. Als Wienerin habe ich so eine Ahnung wo sich das Lokal von Tante Adele befunden hat und wer sich hinter dem Schauspieler Bobby Heimlich, der eine Scheinehe mit einer Kollegin führt, versteckt.
Wurmdobler spricht neben der Homosexualität ein anderes Kapitel der Wiener Geschichte an: Den Missbrauch an den Mädchen, die zwischen 1961 und 1973 im Schloss Wilhelminenberg untergebracht waren. Bei der juristischen Aufarbeitung ab 2011 wurde bekannt, dass die damals zuständigen Stadträtinnen, wie im Roman beschrieben, zahlreiche Briefe über die Missstände erhalten haben, aber keine Abhilfe schafften.
Das Buch ist gut zu lesen. Wer mehr über Homosexualität während der NS-Zeit lesen will, dem seien die Biografien Franz sowie Dorothea von Jürgen Pettinger empfohlen.
Fazit:
Gerne gebe ich diesem Buch, das die fiktive Geschichte eines jungen Mannes, der seine Homosexualität im geschützten Raum eines Zirkus findet, 5 Sterne.