Es sind keine Biographien im eigentlichen Sinne, die Graham Swift in seinen 12 Erzählungen erzählt. Es stammt aus seiner Feder. Aber es sind 12 Perspektiven, die sprachlich hervorragend, sacht, mit Tiefe, anrührend und mit viel Freude an der Lektüre einen emotionalen Einblick in "ganze Leben" zu geben vermögen, die durch die Nemesis der Menschheit seit Beginn ihrer Existenz, Gewalt und Aggression, im Großen wie im Kleinen, Veränderungen, Trauma, Einsichten oder Trotz hervorgebracht haben. In all dem ist das verbindende Element, dass am Ende der Lektüre deutlich und klar, fassbar und fühlbar im Raum steht, wie einschneidend, am Ende belastend und weitgehend gar sinnlos, diese aggressive, nur den eigenen Vorteil mit den Mitteln von Macht und Gewalt suchende Haltung des Menschen bittere Schneisen in die Leben der Menschen zieht. Wobei diese "überwältigenden" Mittel, denen der einzelne Mensch meist ohnmächtig gegenübersteht, nicht unbedingt ausschließlich in Waffengewalt oder offenen Kriegen bestehen. Auch feine zwischenmenschliche Formen von "Kriegen" finden ihren Platz in diesen Sachten, feinen Geschichten, die, ohne laut zu werden, die Narben herausarbeiten, die emotional in Menschen verbleiben. Wie bei Dr. Cole, der auf menschenleeren, ruhigen Straßen in der Zeit der Corona-Pandemie unterwegs ist. Fahrten, die seine Erinnerungen wach werden lassen, "die heftig und ungebeten auf ihn hereinstürzten". 72, im Ruhestand eigentlich und, vor allem, einsam. In Erinnerungen an seine Krankheiten als Kind, an das Scharlach zu seinem 10. Geburtstag und was dies alles für seinen weiteren Lebensweg ausgelöst hat. Oder wie schnell so eine Verärgerung in das "Paradies des Urlaubs auf Zypern" einziehen kann. Dabei war es nur ein kleiner Streich, wie ihn Kinder eigentlich gerne und oft am Strand machen, der den romantischen Urlaub des Paares mit einer dunklen Wolke versehen. Wobei daneben auch handfeste "Kriegsgeschichten" stehen, wie die Büchners, des ehemaligen deutschen Offiziers, der einem englischen Soldaten begegnet, auf der Suche nach dem Schicksal seiner jüdischen Verwandten im Deutschland. Jahre nach dem Krieg. Meisterhaft führt Swift Leser und Leserinnen darin in die Verstrickungen von Schuld, emotionaler Unsicherheit und Trotz und ein "gegeneinander Aufrechnen", was alles im Inneren der Figuren vonstatten geht. Oder das Erleben von Verlusten, tödliche Krankheit, Suizid eines lieben Menschen und das brutale Eindringen von Schmerz und Trauer, gespiegelt an den hoffnungsvollen Erinnerungen für Kind und Enkel zu Beginn deren Lebens. Bis der Kreis sich in der letzten Geschichte schließt und sacht die immense Bedeutung des "Bombentodes" der Eltern im zweiten Weltkrieg für das zurückgebliebene Kind in dessen hohen Alter vor Augen gelegt wird. Ein nachdrücklicher Blick auf Menschen "nach Katastrophen", auf tiefliegende Wut in Teilen, wie ebenso tiefer, unstillbarer, teils lebenslanger Trauer um Verluste. Wunderbar erzählt und emotional dicht.