Zum Buch
Ich habe mich sehr auf dieses Buch gefreut, da ich selbst Betroffene bin. Es ist keine Geschichte, auch kein Sachbuch - eher ein Erfahrungsbericht der Autorin. Das Vorwort fand ich schon äußerst treffend. Bei den ersten Sätzen, die die Schmerzen bei einer akuten Migräne-Attacke beschreiben, hatte ich Tränen in den Augen, denn genauso sind die Schmerzen auch bei mir. Und es ist einfach total schwierig, es anderen Menschen zu erklären, die keine Ahnung von Migräne haben. Es lässt sich nicht mit "ein bisschen Kopfweh" vergleichen - es ist wesentlich schlimmer und wirkt sich bei jedem Betroffenen unterschiedlich aus.
In kurzen Kapiteln beschreibt Isabelle Dürren ihren Leidensweg ab dem 6. Lebensjahr. Sie war ein recht schüchternes Kind, das keinen Kindergarten besuchte und schwer Anschluss fand. Mit der Einschulung und Freunde finden war es schwierig, musste Isabelle doch so manche Tage im abgedunkelten Raum zuhause liegen und konnte den Unterricht nicht besuchen. Da findet man nicht wirklich Freunde ¿ Als wenn das nicht schon genug wäre, brachten weder die Kinder (in dem Alter wahrscheinlich verständlich) noch die Lehrer Verständnis für ihre Situation auf - sie wurde höchstens auch noch fertiggemacht! Ob man diese Krankheit nun selbst kennt oder nicht, aber gerade Lehrer sollten doch wesentlich professioneller vorgehen, oder?
Isabelle bekam schon im zarten Alter von sechs Jahren Hammermedikamente. Ich denke, wir können uns alle vorstellen, wie schwer es für ein kleines Kind ist, Tabletten zu schlucken. Und mit neun Jahren schon ein abgeheiltes Magengeschwür zu haben, ist auch nicht das Gelbe vom Ei ¿
Beim Lesen hatte ich auch das Gefühl, dass nicht einmal die Ärzte wirklich Verständnis für das Mädchen aufbrachten. Einziger Halt war Isabelles Familie, die sich rührend um sie kümmerte.
Die Migräne ist bei der Autorin so stark ausgebildet, dass ein normales Leben an den meisten Tagen nicht möglich ist. Fehlzeiten in der Schule, nicht an Ausflügen teilnehmen können, sich zur Arbeit schleppen. Ich muss ganz ehrlich sagen, dass ich mich nach Beenden dieser Lektüre doch eigentlich ganz glücklich schätzen kann. Ich kenne den beschriebenen Schmerz, das Unverständnis der Mitmenschen, das ins Lächerliche ziehen und die Suche nach dem richtigen Medikament. Aber ich muss auch sagen, dass sich meine Migräne-Attacken nicht mit denen von Isabelle Dürren decken. Ich kenne auch diese Übelkeit, Lichtempfindlichkeit, Verzweiflung, aber bei mir ist der Spuk wenigstens (meistens) nach ein bis zwei Tagen vorbei und ich habe nie mehrere Tage in der Schule oder bei der Arbeit fehlen müssen. Nichtsdestotrotz ist es eine Krankheit, die einen mitunter das ganze Leben begleitet und von den Mitmenschen belächelt wird. Man sucht als Betroffener ständig nach Erleichterung - in den verschiedensten Formen. Man muss hochkonzentrierte Schmerzen an einer Stelle über Stunden oder auch Tage hinweg aushalten. Man ist verzweifelt. Aber man gibt nicht auf zu kämpfen und genießt die Tage, die schmerzfrei sind.
Isabelle Dürren hat mir gezeigt, dass keiner von uns Betroffenen allein ist. Sie hat mir aufgezeigt, dass es immer noch schlimmer geht. Sie klärt mit diesem Buch Nichtbetroffene auf und versucht, mehr Verständnis zu erreichen. Wer die Schmerzen nicht kennt, kann nicht nachvollziehen, was im Kopf vor sich geht. Es ist wie Gewitter im Hirn - kein schöner Gedanke. Was ich mir wünsche, ist mehr Verständnis. Es darf nicht abgetan werden, nur weil man es einem oft nicht ansieht. Migräne ist nicht nur ein bisschen Kopfweh - definitiv nicht. Es ist wie ein glühend heißes Messer, das in einer Kopfhälfte steckt und mitunter noch tiefer in die Wunde sticht. Migräne saugt einem jegliche Energie aus dem Körper und ist schlichtweg eine Plage. Ich hoffe, dass viele Menschen sich dieses Buch einmal näher ansehen und nach dem Lesen ein wenig mehr Verständnis für die Betroffenen aufbringen.