Ein harter, feministischer Genreroman mit rotzigem Ton und unverblümter Sprache, der ikonische Bilder schafft.
Dios hatte recht - na und? Sie hatte tatsächlich alle darüber belogen, was an dem Abend wirklich passiert war. Alle außer Tina. Und das war ein Fehler gewesen, ein bedauernswerter Versuch in ihren ersten Tagen im Knast, härter rüberzukommen, als sie sich fühlte. Auszug Seite 82In einem Frauengefängnis im heißen Arizona treffen Florence "Florida" Baum und Diana Diosmary "Dios" Sandoval aufeinander. Auf den ersten Blick könnten die beiden nicht unterschiedlicher sein. Auf der einen Seite Florida, Tochter aus reichem Hause, nach eigener Aussage nur durch einen Typen ins falsche Milieu abgerutscht. Dagegen Dios, Latina aus schwierigen Verhältnissen, hochbegabt, mit einem Stipendium an einem renommierten College. Die wegen schwerer Körperverletzung verurteilte Dios ist, warum auch immer, beherrscht von dem Wunsch, Florida zu demaskieren und ihre wahre Natur zum Vorschein zu bringen. Kommentiert wird die Story der beiden Kontrahentinnen von Kace, der psychotischen Zellengenossin von Florida. Sie ist davon überzeugt, die Seelen der getöteten Opfer in sich zu tragen und dass diese zu ihr sprechen. Ihre eigenen Opfer, aber auch die Opfer der anderen Insassinnen. Sie und diese Geister bilden eine Art griechischen Chor, der das Geschehen kommentiert.Eine Welt, die sich verpisst hatÜberraschend werden Florida und Dios auf Bewährung aus dem überfüllten Knast entlassen und müssen wegen der Pandemie 14 Tage in einem schmuddeligen Motel in Quarantäne verbringen. Florida jedoch, einem plötzlichen Impuls folgend, verletzt ihre Bewährungsauflagen und steigt in einen illegalen Bus, der sie in ihre Heimat Los Angeles bringen soll. Keine gute Entscheidung und das nicht erst, als Dios plötzlich zusteigt. Der nun folgende Roadtrip, auf dem sich die Wege der beiden immer wieder kreuzen, entwickelt sich zu einem Fiasko, einer nicht enden wollenden Gewaltspirale. Hier kommt mit Detective Lobos eine dritte Figur ins Spiel, auch sie mit großer Wut beladen. Sie ist wütend auf sich selbst, hat sie es zugelassen, Opfer häuslicher Gewalt zu werden. Es gibt ein Kontaktverbot gegen ihren Ex-Mann, der sie aber immer wieder drangsaliert. Für mich die gelungenste Figur, deren Motivation ich nachvollziehen konnte. Wir kennen sie bereits aus "Diese Frauen". Es beginnt ein gnadenloser Roadtrip durch geisterhaft leere Gegenden in Los Angeles. Die Obdachlosigkeit hat sich im pandemie-gebeutelten, dystopischen LA mittlerweile verschärft, Menschen leben in Zelten, die Zeltstadt hat sich bis nach Downtown ausgebreitet. Die Beschreibungen der menschenleeren Straßen haben etwas Apokalyptisches. Es ist bloß eine Straße, die eine andere Straße kreuzt, leer wie der Rest der Stadt - undurchsichtige Fenster, verwaiste Parkplätze, verschwundene Läden. Eine Welt, die sich verpisst hat. Auszug Seite 307Bitches mit Problemen "Diese Frauen" von Ivy Pochoda war ein großes Highlight für mich, daran kommt "Sing mir vom Tod" nicht ganz heran. Durch den fordernden Schreibstil mit rotzigem Ton und unverblümte Sprache werden die Schicksale der Protagonistinnen schonungslos aufbereitet. Es gibt viele Wiederholungen des Erzählten, was auf Kosten der Dramatik geht. Ich musste mir das teilweise erarbeiten. Spannung entsteht, da man um den ungewissen Fortgang des ereignisreichen Trips bangt. Die ständigen Perspektivwechsel verwirren und der Grund für diese große Wut blieb mir verborgen. Die Entwicklung der Figuren hat mich wenig überzeugt, besonders das Seelenleben Dios blieb mir fremd. Auch die Darstellung des Gefängnisalltags und die Brutalität der Frauen untereinander sowie der übergriffigen Wärter fand ich zwar stimmig, war aber für mich kaum zu ertragen. Die Gewalt, hier vornehmlich unter Frauen, spielt eine große Rolle. Pochodas Thema ist die für sie irrtümliche Annahme in der Gesellschaft, dass Frauen nicht zu der gleichen Brutalität und Gewalt fähig sind wie Männer. Zumindest nicht ohne Grund und wenn dann nur als Reaktion. In der Literatur werden gewalttätige Frauen oft dargestellt als Lady Killers. Femme Fatales. Schwarze Witwen. Thelma & Louise, Bitches mit Problemen. Auszug Seite 166Das Cover mit den roten und gelben Farben strahlt eine flirrende, staubige Hitze aus und auch der Titel deutet auf eine Geschichte im Wilden Westen hin. Mit dem großen Showdown an einer leergefegten, vermüllten Straßenkreuzung, der sicher nicht zufällig an den großen Filmklassiker High Noon erinnert, schafft sie einige ikonische Bilder im Kopf. Eine Verfilmung könnte ich mir super vorstellen.