Joe Abercrombie ist bekannt für seine bissigen Fantasyromane, die irgendwo zwischen Zynismus und Heldenpathos pendeln. Mit "The Devils" wagt er sich in ein alternatives, historisches Europa, das auf den ersten Blick konventionell anmutet - doch schnell wird klar: Hier läuft einiges anders. Allen voran die Kirche, die in dieser Welt nicht von Männern dominiert wird, sondern fest in weiblicher Hand liegt. Was wie ein interessantes Setup für gesellschaftliche Umwälzungen klingt, bleibt aber leider oft nur eine farbige Kulisse für das, was "The Devils" eigentlich ist: eine überlange, nicht immer gelungene Parodie auf die klassische Heldenreise.Die Handlung folgt vertrauten Mustern: Eine bunt zusammengewürfelte Gruppe begibt sich auf eine gefährliche Reise, um der Prinzessin von Troja auf den Thron zu helfen und zeitgleich das Böse zu bekämpfen. Abercrombie nutzt dabei alle bekannten Versatzstücke des Genres, doch statt das Ganze mit epischer Ernsthaftigkeit zu inszenieren, entscheidet er sich für eine humoristische Brechung. Leider schlägt dieser Humor nicht bei jedem Kapitel gleich gut ein. Der Ton pendelt zwischen geschwollener, eleganter Sprache und fast schon Slapstick-artigem Klamauk.Was zunächst charmant und augenzwinkernd beginnt, kippt spätestens nach 200 Seiten in eine überdrehte, stellenweise ermüdende Dauerironie. Der Humor ist allgegenwärtig - und zwar in einem Maß, das die Erzählung zunehmend überlagert. Pointen werden selten mit feiner Klinge gesetzt, sondern eher mit dem Holzhammer eingeschlagen, oft auf Kosten von Atmosphäre und Tiefe. Es entsteht der Eindruck, als könne oder wolle der Roman sich selbst keinen Moment lang ernst nehmen. Statt gezielt mit Erwartungshaltungen zu spielen, verspottet er sie pausenlos - manchmal clever, oft einfach nur laut. Fans von ironischer Fantasy à la Terry Pratchett könnten hier zwar auf ihre Kosten kommen, doch Abercrombies Humor fehlt häufig das sprachliche Feingefühl, die satirische Präzision und das emotionale Timing, die Pratchetts Werke so besonders machen. Besonders schmerzhaft zeigt sich das in Momenten, die eigentlich Raum für emotionale Tiefe oder Spannung bieten würden: Statt sich auf diese Szenen einzulassen, wird ihr Potenzial durch einen Gag nach dem anderen erstickt - was nicht nur die Wirkung, sondern auch das Erzähltempo schwächt. Der Witz steht zu oft im Vordergrund und lässt kaum Platz für echte Resonanz.Das Herzstück des Romans sind, wie bei Abercrombie üblich, seine Charaktere. Die Gruppe an Protagonisten ist vielfältig, laut, streitlustig und in vielen Momenten unterhaltsam. Doch was sie auch zu tragen haben: den Fluch des überzogenen Humors. Viele ihrer Dialoge bestehen aus pointierten, oft bewusst übertriebenen Schlagabtäuschen, was sie - je nach Leseeindruck - entweder charmant oder schlichtweg nervig wirken lässt. Besonders deutlich wird das bei Charakteren wie Vigga oder Baptiste, die nicht nur zur Karikatur ihrer selbst werden, sondern in manchen Momenten wie aus einer Fantasy-Sitcom entsprungen wirken. Tiefgang bleibt hier oft auf der Strecke, was schade ist, denn einzelne emotionale Szenen deuten an, dass mehr in ihnen stecken könnte - wenn man sie denn atmen ließe.Gleichzeitig funktioniert diese Überzeichnung bei anderen Figuren durchaus besser. Sie wachsen einem trotz (oder wegen) ihrer Exzentrik ans Herz und sind auch dann glaubwürdig, wenn der Rest der Welt in aberwitzigem Chaos versinkt.Der rhythmische Aufbau der Handlung - Actionsequenz, ruhiger Beziehungs- oder Reflexionsmoment, wieder Action - funktioniert zu Beginn gut, wird aber mit zunehmender Seitenzahl vorhersehbar. Wer das Prinzip einmal durchschaut hat, kann sich schon nach wenigen Kapiteln ziemlich sicher sein, wann die nächste Schlägerei, der nächste emotionale Monolog oder das nächste große Enthüllungsgespräch folgt. Das nimmt viel von der Spannung und lässt die Geschichte nach einem fixen Baukasten wirken. Dazu kommt, dass Abercrombie die Romantikschraube deutlich überdreht. Es scheint fast, als müssten sich zwangsläufig alle Hauptfiguren im Laufe der Handlung ineinander verlieben. Die Vielzahl der entstehenden Paare wirkt weder authentisch noch dramaturgisch notwendig, sondern eher wie ein überambitionierter Versuch, jedem Charakter zumindest ein "emotionales Happy End" zu verpassen - was der Glaubwürdigkeit der Welt und der Reise insgesamt schadet.Mit fast 850 Seiten ist "The Devils" ein echtes Schwergewicht. Leider trägt die Geschichte weder inhaltlich noch stilistisch diese Länge. Die Dialoge ziehen sich, viele Szenen wirken wie Füllmaterial, und das immer gleiche Handlungsmuster ermüdet. Kürzen hätte dem Roman sehr gut getan - nicht nur im Hinblick auf Tempo, sondern auch, um die Stärken des Buches (besonders die gelungenen Figurenmomente) mehr strahlen zu lassen. Gegen Ende gibt es dann noch einen Zeitsprung, der zwar grundsätzlich Sinn ergibt, aber so abrupt und lückenhaft umgesetzt ist, dass es wirkt, als wären ganze Passagen einfach entfernt worden. Wichtige Entwicklungen bleiben unerzählt, manche Nebenhandlungen brechen unvermittelt ab, als hätte jemand beim Schnitt großzügig gekürzt - jedoch an der falschen Stelle. Das hinterlässt den Eindruck, als fehle ein zentrales Kapitel - und als wäre es der sowieso schon überlangen Erzählung zum Opfer gefallen."The Devils" ist ein ungewöhnlicher Fantasyroman, der mit interessanten Ideen und einem erfrischend anderen Weltentwurf startet - aber zunehmend unter der Last seiner eigenen Überdrehtheit zusammenbricht. Wer Abercrombies scharfzüngigen Stil und seinen Hang zum Absurden liebt, wird hier sicher Momente der Freude finden. Doch für Viele wird das Buch eine Geduldsprobe sein - zu lang, zu laut, zu sehr darauf bedacht, witzig zu sein.