Knausgårds Erstling besteht aus drei Teilen.In Teil 1 treffen wir den 26-jährigen Studenten Henrik Vankel, der 1996 ein Jahr lang als Hilfslehrer in einer Dorfschule im obersten Nordnorwegen jobbt, der fasziniert ist von dem winzigen Fischerort am Fjord, der Dunkelheit im Winter und von Miriam, 13, in seiner Klasse. Er verliebt sich in das Mädchen, und als es eines Nachts tatsächlich zum Äußersten kommt, flieht er Hals über Kopf zurück in seine Heimatstadt KristiansandTeil 2 behandelt die Geschichte, wie sich Henriks Eltern in den 1960-ern kennenlernten. Ingrid, eine neugierige junge Frau aus bäuerlichen Verhältnissen in Westnorwegen, angelt sich Harald, den gutaussehenden Sonderling, der während der Ferien in einem einsamen Sommerhaus das Pensum für die Prüfungen büffelt, die er versäumt hat und der unter der großbürgerlichen Knute seines Elternhauses fürchterlich leidet.Im 3. Teil sind wir wieder bei Henrik, der rastlos durch Kristiansand driftet, von peinvollen Erinnerungen an seine Kindheit und Jugend heimgesucht wird, und in allerlei Überlegungen und Betrachtungen abdriftet. In einer Art Traumsequenz findet er sich sogar in einem sehr eigenartigen Paralleluniversum wieder, in dem Kant der literarische Stadtchronist von Königsberg war und Dante ein Reformator und Revolutionär in Florenz. Miriam kommt mit ihrer Familie zu einer Konfirmationsfeier in den Süden und Henrik fährt zum Flughafen, sie abzuholen.Positiv formuliert kann man Knausgård als frühvollendeten Schreiber bezeichnen, der schon in seinem Debut die Themen und die Schreibart seiner späteren Erfolgswerke durchzieht. Henrik Vankel ist - das wissen wir spätestens mit der Lektüre des autobiografischen Projekts - ein kaum kaschiertes Alter Ego des Autors, sein Thema ist die eigene Bloßstellung und das Durchleiden der Scham über eigenes Fehlverhalten und eigene Schwächen. Die beschreibt er punktgenau und messerscharf und mit kaum zu ertragender Nachvollziehbarkeit. "Aus der Welt" ist sozusagen die Fingerübung, nach der er sich an das Großprojekt "Min kamp" wagt.Dass er sich über alles mögliche schämt, nur nicht darüber, ein 13-jähriges Kind zu verführen, hat dem Autor manchen Vorwurf eingebracht. In der Tat liest sich diese Verliebtheit in Miriam ganz normal und glaubwürdig, ziemlich treffend, wie es sich eben anfühlt, wenn man sich verknallt. Bewusste Provokation oder gefährliche Normalität?Negativ kann man auch formulieren, dass er schon in seinem Erstling kein anderes Thema kennt als sich, seine Einstellung zu sich, seine Betrachtungen über sich, über das, was er ist, was er sein will und wie er zu dem wurde, der er ist. Ist das noch Narzissmus, wenn einer so von sich besessen ist, dass er all die fürchterlichen Momente der Erinnerung an eigene Defizite und peinliche Momente, die andere (also: mich zum Beispiel) so gelegentlich alle paar Wochen mal vor dem Einschlafen heimsuchen, dezidiert hervorkramt aus dem Gedächtnis, zelebriert und auswalzt und formuliert und drucken lässt und unters Volk bringt? Oder ist das sogar schlimmer als Narzissmus?Fazit: Ein toll formuliertes Buch von einer kranken Seele.