Im ersten Teil des Buches beschreibt Mandelkow diese Vision als die Bullerbü-Welt, die für seine weiteren Gedanken als Ausgangspunkt dient. Viele Familien, so der Psychologe, versuchen heute immer noch, dieses Idealbild der Kinderbücher vom schwedischen Landleben Anfang des letzten Jahrhunderts zu erreichen. In vier großen Bereichen - Erziehung, Arbeit, Ehe/Partnerschaft und Familie - dient die heile Welt von Bullerbü als Vorbild, dem man nacheifert und das man erreichen will. Diesen Druck und diese Sehnsucht charakterisiert Mandelkow als den Bullerbü-Komplex. Die Familien in Deutschland wollen ein ebenso glückliches und einfaches Leben wie die Kinder auf dem schwedischen Land. Da die heutige Wirklichkeit jedoch wesentlich komplexer und damit komplizierter ist, ist das Scheitern vorprogrammiert - Frust und Ärger sind die Folge."Liebe Familien, lasst es mal gut sein!", rät der Autor im zweiten Teil. Er nimmt jeden der vier Bereiche unter die Lupe, beleuchtet unrealistische Ziele und stellt ihnen gangbare Alternativen gegenüber. Das Bullerbü-Bild zur Erziehung stellt sich beispielsweise so dar: Die Eltern sind aufmerksam und liebevoll von früh bis spät, einfühlsam und immer präsent. Sie haben immer Zeit für die Kinder und keine eigenen Bedürfnisse (S. 100 - 101). Dieses Ideal führt, so Mandelkow, zu Überforderung und Unsicherheit, weil Eltern die Wirklichkeit anders erleben. Die Kunst, es gut sein zu lassen, besteht nun darin, diese nicht perfekte, komplizierte Realität zu akzeptieren und sozusagen das Beste daraus zu machen. Ein schöner Satz: "Liebe, die immer mal wieder und ein bisschen zerknittert daherkommt, tut es auch." (S. 101)Trotzdem ist es in diesen Bereichen nicht einfach egal, was man macht. Mandelkow warnt ganz entschieden vor gefährlichen Entwicklungen wie z. B. Vernachlässigung der Kinder. Darum, um nicht in eine "Ist doch alles egal"-Stimmung abzurutschen, ist die richtige Grundhaltung entscheidend. Da Mandelkow nicht nur Psychologe, sondern auch Theologe ist, nimmt er hierfür den großen christlichen Begriff der Gnade und buchstabiert ihn unter den Themen Geschenk, Nähe, Aufbruch, Demut und Ewigkeitswert durch. Dieses christliche Menschenbild hilft dabei, nicht immer perfekt sein zu müssen und es öfter liebevoll gut sein zu lassen, so der Autor.Eine Vision von "Bullerbü morgen" beschließt das Buch mit einem Blick in eine unperfekte, aber dennoch hoffnungsvolle Zukunft. Meiner Ansicht nach trifft Lars Mandelkow sehr präzise einen Nerv unserer Zeit. Zwar gibt es scheinbar weniger fest geschriebene Rollenbilder als früher und viel mehr ist erlaubt, gleichzeitig führt diese Freiheit zu einer Flut an Tipps und Vorschlägen für einen gelingenden Alltag, der doch wieder das Bullerbü-Leitbild anstrebt. Gerade in frommen christlichen Kreisen, so meine Wahrnehmung, ist der Druck der perfekten glücklichen Familie besonders hoch. Das Bullerbü-Idealbild wird dann sogar manchmal geistlich begründet und als einzige mögliche christliche Lebensform der Familie propagiert. Hier können Mandelkows Ausführungen zur Gnade hilfreich und befreiend sein.Fazit: Lars Mandelkow ist ein präziser Beobachter und schafft es beeindruckend gut, das Gefühl einer Gesellschaft in Worte zu fassen. Das Leben als Geschenk Gottes annehmen, nicht immer perfekt sein zu müssen, es auf liebevolle Weise gut sein zu lassen - das sind wertvolle Impulse, die man für den Alltag mitnehmen kann. Daher sei das Buch allen Familien, Mamas und Papas und solchen, die es noch werden wollen, wärmstens zur Lektüre empfohlen.