Die Rolle der Frauen in einem vergessenen Krieg1935; der sogenannte Abessinienkrieg: die Truppen des italienischen Diktators Mussolini fallen in Äthiopien ein. Hirut, eine junge Waisin aus ärmlichen Verhältnissen, schließt sich den zahlreichen kämpfenden Frauen an und wird Soldatin - ihr Ziel: einem Schicksal in der Unterwerfung, Misshandlung und Unmündigkeit zu entfliehen. Aufgewachsen ist sie als unterdrücktes Dienstmädchen bei Kidane, einem hochrangigen Offizier und dessen Frau Aster, die Hirut stets in ihrer Wertigkeit degradiert, als Konkurrenz betrachtet und ihren Mann als Anführerin der weiblichen Kampftruppen unterstützt.Während die äthiopischen Kämpfer*innen unermüdlichen Widerstand gegen die italienischen Faschisten leisten und sich den Brutalitäten des Krieges stellen, flüchtet der äthiopische Kaiser Haile Selassie ins Exil. Hirut wird zur mutigen Identifikationsfigur der demoralisierten Kämpfer*innen: sie findet eine dem Kaiser ähnliche aussehende Person - Minim, verwandelt ihn zum authentischen Doppelgänger, wird seine Wächterin. Eine Kriegsstrategie, die neuen Mut spendet und den Kampfgeist neu entfacht.Maaza Mengiste erinnert in ihrem zweiten Roman "Der Schattenkönig", welcher 2020 auf der Shortlist des Booker Prize stand, auf eindrückliche Weise an die zahlreichen Frauen, die in den 1930er Jahren gegen die italienischen Soldaten gekämpft haben und setzt ihnen ein wichtiges literarisches Denkmal. Mengiste nimmt sich somit einer äußerst spannenden und komplexen Thematik an und zeigt auch, welche vielschichtigen und widersprüchlichen Rollen und Funktionen am Krieg beteiligte Frauen einnehmen (können). Ein weiterer Fokus liegt außerdem auf der Perspektive der italienischen Soldaten und jener des jüdischen Kriegsfotografens Ettore, der zum "Archivar der Toten" wird (S.480). Das klingt inhaltlich erstmal spannend und auch sprachlich hat der Roman einiges zu bieten. Mengiste erzeugt definitiv lebhafte, verstörende und somit authentische Bilder einer brutalen Kriegsrealität (Triggerwarnungen seien hiermit ausgesprochen). Dennoch: Mengiste verlangte mir als Leserin einiges ab - vor allem in Bezug auf das Zurechtfinden in den komplexen Beziehungsgeflechten und innerhalb der sehr besonderen Erzählstruktur. Der Roman ist für mich eines dieser Bücher, die erobert werden wollen und durch die man sich regelrecht durchkämpfen muss. Bei denen Gebanntheit, Faszination, emotionale Ansprache, leichte Verzweiflung, gedankliche Abschweifungen und mal stillere, mal lautere Abbruchswünsche nah beinander liegen. Es stellt sich nur die Frage, wann man den "Kampf" besser aufgeben sollte. Bei mir begann die Eroberung erst nach etwa 250 Seiten und hielt gute 250 Seiten an. Danach zog sich das Ganze für mich leider wieder zunehmend erneut wie Kaugummi. Mir fehlte es extrem an Fokus, Kohärenz und einem Spannungsbogen. Für mich abschließend nicht ganz beantworten, kann ich die Frage, ob der Roman letztendlich und - trotz der Perspektive auf die Gewalt, die Frauen erleiden und sich selbst gegenseitig zufügen - unterm Strich nicht doch zu sehr zu einer Art "Beschönigung" von Krieg-, Kriegserfahrungen- und beteiligung aus weiblicher Perspektive sowie einem nationalen Kriegspathos und Patriotismus tendiert. Eine kulturell und historisch wertvolle Leseerfahrung, die ich zwar nicht bereue, dennoch fällt mir eine uneingeschränkte Leseempfehlung schwer. Gewünscht hätte ich mir noch ein Glossar für die amharischen Begriffe, die zwar im Kontext verständlich sind, aber unterschiedlichen Interpretationen unterliegen und somit zu Fehldeutungen verleiten können.Aus dem amerikanischen Englisch von Brigitte Jakobeit und Patricia Klobusiczky.