Matildas und Anthonys Geschichte konnte ich kaum aus der Hand legen. Nena Tramountani bricht bewusst mit typischen Rollenbildern.
Nachdem mich Fly & Forget am Ende etwas verloren hat, habe ich mir mit der Fortsetzung etwas Zeit gelassen. Tatsächlich habe ich mich im Nachhinein darüber geärgert. Matildas und Anthonys Geschichte war für mich seit langem mal wieder eine, die ich nicht aus der Hand legen konnte. Das liegt nicht nur an Nena Tramountanis fesselndem Schreibstil, sondern auch daran, dass sie bewusst mit (New-Adult-)typischen Rollenbildern bricht. Auch wenn Antonys Bedingung Matildas Vorurteile zunächst noch beflügelt, wird schnell deutlich: Nicht Anthony ist der Aufreißer mit Näheproblemen, vor dem man geschützt werden müsste - sondern Matilda selbst.Dabei werden allerdings nicht einfach Klischees umgetauscht. Matildas Charakter steckt voller Widersprüche: Sie studiert Psychologie, ist aber selbst nicht bereit, ihr eigenes Trauma zu verarbeiten. Sie ist mit sich und ihrer Sexualität absolut im Reinen, verbietet sich allerdings, zu ihren Gefühlen zu stehen. Sie will die konservativen Rollenbilder ihrer Mutter aufbrechen, ist aber selbst voller Vorurteile. Sie möchte ihre Freundin Briony um jeden Preis schützen, entscheidet dennoch über ihren Kopf hinweg und behandelt sie nicht auf Augenhöhe.Genau das macht sie für mich zu einem nachvollziehbareren Charakter. Sie steht im Laufe der Geschichte immer wieder vor schwierigen Entscheidungen und zeigt, dass selbst mit dem nötigen Wissen und Bewusstsein alte Muster nicht sofort ablegbar sind. Sie handelt häufig impulsiv, hinterfragt ihre Entscheidungen aber stets und wird immer offener für die Hilfe anderer. Dadurch entwickelt sie sich im Laufe der Handlung nicht gradlinig, sondern mit nachvollziehbaren Fort- und Rückschritten weiter.Dasselbe gilt für die Liebesgeschichte: Matilda und Anthony finden über ihre Kunst nur langsam zueinander, schauen hinter die Schutzmauern des jeweils anderen und bauen so eine Verbindung auf, die sich echt anfühlt. Genau diese Mischung aus vorsichtiger Annäherung und Verletzlichkeit konnte mich berühren.Gerade im Vergleich zu Matilda wirkt Anthony dabei allerdings etwas glattpoliert. Mich hat zwar begeistert, wie ehrlich er zu sich und anderen ist und dass er seine Gefühle annimmt, auch wenn er sich verletzlich zeigen muss. Dennoch hätte ich mir gewünscht, dass seine Probleme und inneren Konflikte etwas mehr Raum bekommen, damit er neben Matildas Ecken und Kanten nicht untergeht. Gleichzeitig wird dadurch deutlich, dass auch die Nebencharaktere oft zu kurz kommen. Sowohl Anthony als auch Matilda haben im Laufe der Handlung nachvollziehbare Gründe, die sie von ihren engsten Freunden distanzieren. Dadurch bleiben die Freundschaften leider oft nur angedeutet, und die Nebenfiguren wirken wie blasse Randfiguren. Obwohl die Beziehung zwischen Matilda und Briony viel Raum einnimmt, bleibt Brionys Perspektive außen vor. Ich bin daher schon sehr gespannt auf Brionys Geschichte in Band 3 und erhoffe mir dann auch wieder mehr WG-Dynamik.