Bücher versandkostenfrei*100 Tage RückgaberechtAbholung in der Wunschfiliale
product
cover

Sich selbst fremd

Wahre Geschichten von psychischen Ausnahmezuständen

(1 Bewertung)15
200 Lesepunkte
eBook epub
19,99 €inkl. Mwst.
Sofort lieferbar (Download)
Empfehlen
Rachel Aviv - eine der derzeit wichtigsten Essayistinnen der USA - stellt radikale Fragen zu unserem Umgang mit psychischen Krankheiten.

Als Sechsjährige hört Rachel Aviv plötzlich auf zu essen und wird zu Amerikas jüngster Anorexiepatientin. Doch typisch anorektische Verhaltensmuster erwirbt sie erst in der Klinik: Sie sieht sie sich bei älteren Mitpatientinnen ab. Wie wäre ihr Leben verlaufen, fragt sie sich als Erwachsene, wäre sie länger in der Klinik geblieben und hätte sich nachhaltiger mit ihrer Diagnose identifiziert? Ausgehend von dieser persönlichen Erfahrung erkundet Rachel Aviv in sechs sehr unterschiedlichen Fallgeschichten, wie uns die Art und Weise, mit der wir psychische Probleme einordnen und diagnostizieren, verändert. Mit großer Empathie erzählt Aviv von Menschen in psychischen Ausnahmezuständen und macht dabei die Facetten von Identität sichtbar, die durch das Raster psychiatrischer Konzepte fallen.

Produktdetails

Erscheinungsdatum
28. Januar 2025
Sprache
deutsch
Untertitel
Wahre Geschichten von psychischen Ausnahmezuständen. Originaltitel: Strangers to Ourselves.
Seitenanzahl
304
Dateigröße
1,79 MB
Autor/Autorin
Rachel Aviv
Übersetzung
Claudia Voit
Verlag/Hersteller
Originalsprache
englisch
Kopierschutz
mit Wasserzeichen versehen
Family Sharing
Ja
Produktart
EBOOK
Dateiformat
EPUB
ISBN
9783446283626

Portrait

Rachel Aviv

Rachel Aviv ist seit 2013 Redakteurin bei The New Yorker. Sie hat für das Magazin über eine Reihe von Themen wie Medizin, Rechtsethik und Strafjustiz geschrieben. Sie war Finalistin für den National Magazine Award for Public Interest und erhielt den Rona Jaffe Foundation Writers' Award und den Scripps Howard Award für ihre Berichterstattung über Polizeigewalt. Sie lebt in Brooklyn.

Pressestimmen

»Grandios: Intensiv recherchiert, klug reflektiert: absolute Empfehlung für alle, die sich für Psychologie interessieren. « Maike Dannenberg, Bücher Magazin 4/2025

»Ein starkes und bewegendes Buch, das Rachel Aviv hier vorlegt. Wer die Komplexität der menschlichen Erfahrung nicht würdigt, so macht die Autorin mehr als deutlich, macht sich an psychisch erkrankten Menschen schuldig. « Susanne Billig, Deutschlandfunk Kultur, 29. 01. 25

»Ein bestechend intelligentes Buch, in dem sich Empathie, der persönliche Bezug sowie minutiöse Recherche und fachliches Wissen gegenseitig ergänzen wie auch verstärken. « Katrin Diehl, Jüdische Allgemeine, 27. 3. 25

»Die essayistischen Reportagen. . . sind so erschütternd wie faszinierend. . . Avivs feinfühlige Zurückhaltung macht das Werl zur idealen Grundlage für Diskussionen. « Julia Kohli, Neue Zürcher Zeitung am Sonntag, 30. 3. 25

»Jede dieser Geschichten und ihre Hintergründe hat Rachel Aviv im Detail recherchiert. . . Entstanden ist ein facettenreiches Bild mit Innen- und Außenansichten. . . Aviv diskutiert diese Fragen kenntnisreich und einfühlsam. « Philipp Sterzer, Frankfurter Allgemeine Zeitung, 23. 04. 25

»Dass es Rachel Aviv für den New Yorker gewohnt ist, großflächig zu recherchieren und dafür auch entsprechend Zeit zu bekommen, merkt man ihrem Buch an. Was Sich selbst fremd bemerkenswert macht, ist vor allem, dass sich Rachel Aviv auch ihrer eigenen Biografie so offenherzig widmet. Sie guckt dahin, wo es am meisten wehtut. « Julia Rothhaas, Süddeutsche Zeitung, 01. 02. 25

»Das Buch ist so akribisch recherchiert und einfühlsam geschrieben, wie Avivs viel gepriesene Reportagen für den New Yorker`, für den sie seit 2013 über die menschliche Psyche, Verbrechen, Justiz, Trauma und Identität schreibt. « Vanessa Oberin, Der Freitag, 13. 02. 2025

»Rachel Aviv. . . wagt eine Erneuerung der literarisch-psychiatrischen Fallstudie, indem sie die neuen Paradigmen der sozialen Konstruktion und Momente des Outings integriert. Sie tut es brillant. « Sebastian Kiefer, Der Falter, März 2025

»Was Aviv hier vorlegt, ist eine kleine Sammlung von Biografien, in deren einfühlsame Erzählung man gut eintauchen kann, mit deren wertfreien Therapieschilderungen man nie hadern muss, ganz gleich wie man selbst zu aktuellen gesellschaftlichen und medizinischen Paradigmen steht. « Andreas Kremla, Buchkultur, Februar 2025

»Grandios: Intensiv recherchiert, klug reflektiert: absolute Empfehlung für alle, die sich für Psychologie interessieren. « Meike Dannenberg, Bücher-Magazin, 23. 05. 25

»Sich selbst fremd regt zum Nachdenken an, bereichert und sensibilisiert. « Naomi Lobnig, an. schläge 2/2025

Besprechung vom 23.04.2025

Psychiatrische Selbstdiagnosen im digitalen Aufwind
Rachel Aviv und Laura Wiesböck widmen sich auf sehr unterschiedliche Weise der Frage nach dem Verlauf der Grenzen zwischen Normalität und psychischer Krankheit.

Ist das jetzt eine normale Lebenskrise oder habe ich eine behandlungsbedürftige Depression? Ist er einfach ein verstiegener Esoteriker oder leidet er an einer Psychose? Hat sie nur ein überbordendes Temperament oder doch eine Borderlinestörung? Die Frage nach der Grenze zwischen Normalität und psychischer Erkrankung ist mindestens so alt wie die Geschichte der Psychiatrie selbst. Dass diese Frage aber nicht nur Betroffene und Psychiaterinnen angeht, sondern zentrale Aspekte des Menschseins und des gesellschaftlichen Zusammenlebens berührt, das zeigen zwei neue Bücher - auf sehr unterschiedliche Weise.

In "Sich selbst fremd" erzählt Rachel Aviv die Geschichten von fünf Menschen, bei denen psychische Erkrankungen diagnostiziert wurden, auch ihre eigene. Als sie mit sechs Jahren aufhörte zu essen, wurde bei ihr die Diagnose Anorexie gestellt. Die Essstörung überwand sie, aber der Wunsch, sich einen Reim auf diese Episode in ihrem Leben zu machen, beschäftigt sie bis heute. Ihre eigenen Erfahrungen schürten Avivs Interesse an Geschichten anderer Menschen, bei denen psychische Erkrankungen zu einem bestimmenden Faktor ihrer Lebensgeschichte wurden.

So erzählt sie von Ray, dessen zunächst erfolgreich verlaufendes Leben als Arzt und Familienvater mit Anfang vierzig in sich zusammenfällt und der später die psychiatrische Klinik verklagt, deren psychoanalytischer Behandlungsansatz ihm nicht geholfen, sondern seinen Zustand sogar noch verschlimmert habe. Sie berichtet von Bapu, einer wohlhabenden Inderin, die in einem religiösen Wahn ihre Familie verlässt um eins mit Krishna zu werden. Da ist Naomi, die in einer Psychose sich selbst und ihre zwei kleinen Kinder in den Mississippi stürzt, wobei eines der Kinder ertrinkt, und die dann viele Jahre ohne adäquate psychiatrische Behandlung im Gefängnis verbringen muss. Und schließlich Laura, Tochter aus gutem Hause, deren psychiatrische "Karriere" als Teenager beginnt und die nach jahrelanger Behandlung mit multiplen Psychopharmaka diese schließlich absetzt. Mit dem Ergebnis, dass es ihr von da an besser geht als je zuvor.

Jede dieser Geschichten und ihre Hintergründe hat Rachel Aviv im Detail recherchiert. Sie hat Angehörige und Ärzte interviewt und sich durch Briefe und Tagebücher gearbeitet. Entstanden ist ein facettenreiches Bild mit Innen- und Außenansichten, in dem das subjektive Erleben der Betroffenen beleuchtet wird und gleichzeitig Kernfragen der Psychiatrie aufgeworfen werden. Wo endet Normalität und wo beginnt Krankheit? Liegen die Ursachen psychischer Erkrankungen in der individuellen Biographie, in den sozialen Umständen oder in neurobiologischen Veränderungen? Werden die Diagnosen den Betroffenen gerecht, brauchen wir diese Diagnosen überhaupt, und wenn ja, welchen Einfluss haben sie auf das Leben der Betroffenen? Wann ist Behandlung sinnvoll, ist sie überhaupt gerechtfertigt, und wenn ja, mit welchen Methoden?

Selbstpathologisierung als Chance?

Aviv diskutiert diese Fragen kenntnisreich und einfühlsam, und sie gibt nicht vor, die Antworten zu kennen. Wann immer ihre Ausführungen auf eine eindeutige Positionierung hinauszulaufen scheinen, wird man eines Besseren belehrt. Sie lässt sich nicht auf einfache Botschaften festnageln. Psychiatrische Diagnosen können befreiend wirken, aber auch stigmatisieren und den Verlauf einer Erkrankung negativ beeinflussen. Psychotherapie oder Psychopharmaka können helfen, sich selbst weniger fremd zu sein, aber sie können auch ihrerseits krank machen. Wenn es eine klare Botschaft in Avivs Buch gibt, dann ist es die, dass einfache Botschaften der Komplexität der Sache nicht gerecht würden.

Ganz anders Laura Wiesböcks Buch "Digitale Diagnosen - Psychische Gesundheit als Social-Media-Trend", das eine zunehmende Tendenz der Pathologisierung normaler seelischer Notlagen beschreibt und zweifelsfrei einen Schuldigen dafür ausgemacht hat: den Neoliberalismus. Wiesböck beklagt zu Recht eine inflationäre Verwendung von psychiatrischen Diagnosen und pathologisierenden Begriffen in den sozialen Medien. Dass ein offenerer Umgang mit psychiatrischen Diagnosen auch zu deren Entstigmatisierung beitragen könnte, mag sie nicht recht gelten lassen, sie beschreibt eher einen gegenteiligen Effekt. So bringe die Präsentation von persönlichem Leid als "beautiful suffering" die Gefahr verstärkter Schamgefühle bei der großen Mehrheit derer mit sich, die das eigene Leid als nicht bildschirmtauglich empfinden. Durch die glamouröse Inszenierung von Selbstdiagnosen wie ADHS, Depression oder Traumafolgestörung komme es letztlich zu einer Verharmlosung schwerer psychischer Erkrankungen.

Wiesböcks zentrale These ist, dass neoliberale Gesellschaften dem Individuum die alleinige Verantwortung für die eigene Gesundheit geben. Wer krank wird, hat sich nicht genug angestrengt. Das Konzept von Selfcare, das in den sozialen Medien propagiert werde, sei mit "neoliberalen Unterwerfungen verbunden (...), die konsumzentriert sind, stark individualisierend wirken und Ungleichheiten reproduzieren". Wer dem neoliberalen Leistungsanspruch nicht gerecht werde, dem böte Selbstpathologisierung die Chance, die Verantwortung für persönliches Versagen abzugeben, was wiederum die Inflation der Selbstdiagnosen psychischer Erkrankungen anheize.

Einseitige Fundamentalkritik am Neoliberalismus

Die Darstellung dieser Zusammenhänge ist insgesamt erhellend, doch greift sie an vielen Stellen zu kurz und lässt mögliche positive Auswirkungen der beklagten Phänomene weitgehend außer Acht. So macht Wiesböck es sich mit ihrer Kritik an der Ausweitung des Traumadiskurses, der die "ursprünglich medizinischen Grenzen längst überschritten" habe, zu leicht. Dass es keine medizinisch definierten Grenzen gibt, ist ja gerade das Problem. Zudem läuft die Rede vom "Trauma-Boom" Gefahr, denjenigen nicht gerecht zu werden, die es aus Angst vor Stigmatisierung bisher nicht wagten, über ihre Traumata zu sprechen. Wiesböcks Darstellung der digitalen Popularisierung von Konzepten wie mentaler Gesundheit, Achtsamkeit und Selfcare im Sinne einer produktivitätssteigernden Geschäftslogik gerät zu einer einseitig verengten Fundamentalkritik am Neoliberalismus. Kann Selfcare nicht auch Aspekte beinhalten, die sich gerade dem Diktat der Selbstoptimierung und Produktivitätssteigerung widersetzen? Sich um sich selbst zu kümmern und die eigene psychische Gesundheit im Blick zu haben kann auch bedeuten, weniger zu arbeiten, mehr Zeit mit anderen zu verbringen oder diese auch einfach zweckfrei zu verplempern.

Man mag es bedauern, dass das verwestlichte Konzept von Achtsamkeit nicht mehr viel mit seinen ethischen Ursprüngen in buddhistischen Traditionen zu tun hat. Aber vielleicht kann Achtsamkeit ja selbst in ihrer weichgespülten, massentauglichen Form ein hilfreiches Konzept sein, das uns nicht gleich zu willfährigen Dienern des Neoliberalismus macht. Wenn Yogahosenträgerinnen pauschal der Zurschaustellung des persönlichen Gesundheitsanspruchs bezichtigt werden, macht das die Argumentation nicht stärker. Im Gegenteil, ideologische Zuspitzungen dieser Art werden manche Leserin, die vor allem an einer sachlichen Auseinandersetzung mit dem Thema interessiert ist, innerlich die Augen rollen lassen. Das ist schade, denn das Thema ist hochaktuell und Wiesböcks Analyse in vielen Punkten durchaus treffsicher. Im Schlusskapitel plädiert sie dafür, dem "Bedürfnis nach Eindeutigkeit differenzierte Perspektiven entgegenzusetzen und Ungewissheit zu kultivieren, ohne Bedrohungsszenarien zu schaffen". Man ertappt sich bei dem Gedanken, dass etwas weniger Bedürfnis nach Eindeutigkeit auch diesem Buch gut getan hätte. PHILIPP STERZER

Rachel Aviv:

"Sich selbst fremd". Wahre Geschichten von psychischen

Ausnahmezuständen.

Aus dem Englischen von Claudia Voit. Hanser Berlin Verlag, Berlin 2025. 304 S., geb., 26,- Euro.

Laura Wiesböck: "Digitale Diagnosen". Psychische Gesundheit als Social-Media-Trend.

Zsolnay Verlag, München 2025.

176 S., geb.

Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.

Bewertungen

Durchschnitt
1 Bewertung
15
1 Bewertung von LovelyBooks
Übersicht
5 Sterne
0
4 Sterne
1
3 Sterne
0
2 Sterne
0
1 Stern
0

Zur Empfehlungsrangliste
Rachel Aviv: Sich selbst fremd bei hugendubel.de