Der Roman über Manduchai Tsetsen Chatan ist 2014 erschienen. Manduchai lebte ungefähr von 1448 bis 1503 und war eine mongolische Regentin, deren Leben zur Legende wurde, zumindest in Zentralasien. Der Roman beginnt mit Manduchais Geburt und endet bereits 1480, was mir von Anfang an seltsam vorkam, da in diesem Jahr die eigentliche Ehe mit dem Khan erst begann. Es folgten immerhin noch über zwanzig erfolgreiche Regierungsjahre, Jahre in denen Manduchai mit dem Khan acht Kinder zeugte. Auch nach dem Ende der Lektüre finde ich keinen plausiblen Grund, den Roman so früh enden zu lassen. Neben Manduchais Geschichte wird nicht ganz so ausführlich der Lebensweg Wan Zhen'ers erzählt, einer Kinderfrau, die zur ersten Konkubine des chinesischen Kaisers wird. Beide Frauen erreichen Machtpositionen, die für Frauen nicht vorgesehen und daher eigentlich unerreichbar waren. Ihren Aufstieg verdanken beide neben ihrer Klugheit auch ihrer Skrupellosigkeit. Ein Bonmot der Geschichte ist, dass die beiden tatsächlich zur selben Zeit lebten.Tanja Kinkel erzählt die Geschichte in den großen Linien wirklichkeitsnah, verändert oder erfindet aber Details. Das ist legitim, um nicht zu sagen notwendig, da die Geschichtsschreibung bei beiden Protagonistinnen lückenhaft ist. Die Lebensläufe der beiden werden parallel erzählt, immer abwechselnd. Da ahnt der Leser natürlich, dass beider Leben sich irgendwann kreuzen werden. Diese Begegnung dürfte zwar eine Erfindung der Autorin sein, ist aber keineswegs abwegig.Die Handlungsweisen und die Motivation für bestimmte Handlungen sind mir im mongolischen Teil des Romans deutlich fremder und fernstehender vorgekommen, als im chinesischen Teil. Dem Kalkül Wans konnte ich mit meiner Logik deutlich besser folgen, als den Handlungen der einzelnen Mongolen, gerade was z.B. die Eingehung von Bündnissen angeht. Das mag so gewesen sein, aber ich hatte öfter Mühe, die Motivation für Bündniswechsel und/oder Verrat richtig nachzuvollziehen, weil innerhalb weniger Zeilen aus einem Bündnis oder einer Freundschaft Todfeindschaft und umgekehrt werden konnte. Loben muss man auf jeden Fall Tanja Kinkels Mut, einen Roman über eine Zeit und zwei Frauen zu schreiben, die den meisten vorher völlig unbekannt gewesen sein dürften. Eine Stärke Tanja Kinkels tritt auch in diesem Roman zutage, nämlich die Schilderung und Ausgestaltung ihrer Charaktere, insbesondere der Protagonisten. Wo andere zu grenzenloser Glorifizierung neigen, ist Kinkel stets bewusst, dass jeder Mensch Fehler und Abgründe hat und niemand perfekt ist.Ein kleines Glossar mit Erläuterungen der wichtigsten Begriffe z.B. zur Bedeutung der verschiedenen chinesischen Hallen oder zum genauen Unterschied zwischen einem Taidschi und einem Khan hätte ich sehr hilfreich gefunden. Es lässt sich leider nicht alles aus der Handlung ableiten. Drei Sterne.