Arpa und Sophie Braun führen ein luxuriöses Leben in Genf. Sie ist Anwältin und er Finanzberater in einer Privatbank. Sie leben mit ihren beiden Kindern in einem noblen Glashaus direkt am Wald. Ihr perfektes Leben gerät jedoch ins Wanken, als ein alter Freund aus der Vergangenheit auftaucht.
Es gibt zwei Gründe, warum ich diesen Autor so gerne lese. Zum einen erzählt er seine Geschichten nicht linear. Vielmehr springt er vor und zurück, noch weiter zurück und noch weiter nach vorne. Das erfordert von den Lesenden eine erhöhte Aufmerksamkeit. Dabei hält er uns manches vor, das er erst im Laufe der Erzählung nachreicht. Da werden Szenen, die wir bereits kennen, ergänzt und erscheinen dadurch oft in einem ganz neuen Licht. Gerade das macht für mich die Spannung des Buches aus. Es ist unterhaltsam, geheimnisvoll, spannend, führt mich auf falsche Fährten, löst diese gelungen und logisch auf. Das Geschehen entblättert sich nach und nach vor mir, bis ich zum Kern vorstoße und am Ende nur staunen kann, wie originell mich Joel Dicker wieder einmal unterhalten hat.
Zum anderen liebe ich seine Figurenzeichnungen. Diese sind nie eindimensional. Es gibt keine ausschließlich guten oder bösen Menschen. Alle Personen verfügen über eine vollständige Persönlichkeit, so wie auch wir Menschen im realen Leben nicht eindimensional sind. Das finde ich sehr spannend, denn die einzelnen Personen verändern bzw. vervollständigen sich im Laufe des Geschehens immer wieder. Dabei muss auch ich wiederholt meine Meinung zu den Figuren hinterfragen und meine Sicht auf sie anpassen. Wie bereits bei seinem Schreibstil, präsentiert der Autor den Blick auf eine Person, nur um diesen nach und nach vollkommen über den Haufen zu werfen. Vor unseren Augen werden unsere automatischen Annahmen entlarvt und wir revidieren im Laufe der Geschichte mehrfach das Bild, welches wir uns beim Lesen von der Figur gemacht haben. Das ist spannend und unterhaltsam, lässt meine Neugierde darauf, was ich noch nicht über die Person weiß, ins Unendliche wachsen.
Genau diese beiden typischen Eigenheiten bietet mir der Autor auch wieder in seinem Buch Das ungezähmte Tier und hat mich damit erstklassig unterhalten. Bis zum Ende der Geschichte bin ich mir nie sicher, welche Wendung die Handlung noch nehmen und was mit den Personen passieren wird. Am Ende des Buches bin ich zufrieden mit der Erzählung, die der Autor mir geliefert hat. Manches habe ich gemutmaßt, anderes kam überraschend.
Gelesen wird das Hörbuch von Torben Kessler. Er liest auch die anderen Bücher des Autors. Das macht er sehr gut und er passt für mich perfekt zum Erzählstil von Joel Dicker.
Das ungezähmte Tier kommt vielleicht nicht an die Romane um seine berühmte Figur Harry Quebert heran. Das Buch ist jedoch besser als viele andere Romane, die gehypt werden und in den Bestsellerlisten zu finden sind.