Es ist Sommer 1918, der Erste Weltkrieg neigt sich dem Ende und auch Thomas Mann schwant, dass das für die Deutschen kein Sieg wird. Bald soll sein Werk Betrachtungen eines Unpolitischen veröffentlich werden, unter diesen Umständen befürchtet er einen Riesenflop auf ihn zukommen.Doch zuerst geht es am 15. Juli an den Tegernsee, in die Defreggersche Villa, die er für die Sommermonate vom Sohn des Malers gemietet hat, und der auf dem Felde für den Kaiser kämpft. Sie liegt an einem reizenden Punkt und ist ein Idyll.Danach hat er sich gesehnt in diesem Sommer, das hat er gebraucht nach vier Jahren Krieg. Dem Krieg der Deutschen gegen die Welt, dem Krieg gegen den Bruder, dem Krieg gegen sich selbst.In diesen Wochen, bevor es am 9. September wieder zurück nach München geht, verbringt die Familie mit 5 Kindern zwischen 12 Jahren und 3 Monaten, etwas Personal und einem nicht kleinen Hund, den Bauschan, an dem malerischen See ihre Sommerzeit und Thomas Mann, 43 Jahre alt, steckt in einer handfesten Krise. Die Kinder spielen viel draußen, schwimmen im See, während Thomas Mann mit Bauschan seine Spaziergänge unternimmt und an seiner Erzählung Herr und Hund arbeitet. Einzig der Besuch der Schwiegereltern im August kosten Thomas Mann einiges an Nerven. Ansonsten hat auch er die Zeit genossen und wird davon noch zehren.Meine persönlichen Leseeindrücke Im Thomas Mann Jahr möchte ich zumindest ein Buch über den deutschen Literaturstar gelesen haben und ein Buch von ihm. Mit Kerstin Holzers überaus ansprechenden Roman habe ich eine hervorragende Wahl getroffen, denn die Autorin versteht es exzellent, das Leben Thomas Manns in den Sommerwochen am Tegernsee einzufangen und einen Mann zu portraitieren, der unbestritten zu den Bedeutendsten der deutschen Literatur gehört, und dessen dargebotene Seite seiner Persönlichkeit ich nicht kannte. Der Nachlass der persönlichen Tagebucheinträge ist beachtlich und jene dieser Sommermonate in die Handlung für diesen Roman einfließen zu lassen, gar vielleicht die Notizen als Gerüst für den Roman zu verwenden, ist hervorragend gelungen. Ich bin absolut keine Thomas Mann Kennerin, das kommt mir gar nicht in den Sinn, zu komplex ist der Mann, zu umfangreich sein hinterlassenes Schaffen und zu Vielseitig seine Persönlichkeit, die in intimsten Momenten einen Mann zeigen, wie ich ihn mir nicht vorgestellt hatte. Meine Erwartungen an das Buch sind bei weitem übertroffen worden!Thomas Mann, nach dem Sensationserfolg der "Buddenbrooks", Verfasser aufsehenerregender Novellen wie Tonio Kröger und Tod in Venedig, sieht sich mit einem Riesenflop konfrontiert und hadert mit sich, dem Weltgeschehen, den Streit mit dem Bruder, den er so gerne beenden möchte, sein Trotz es ihm aber verbietet. Das bereits 1915 begonnene Buch Betrachtungen eines Unpolitischen, für das er sein Buchprojekt "Der Zauberberg" unterbrochen hat, kommt zur ungünstigsten Zeit auf den Markt. Seine darin dargestellten politischen Vorstellungen kollidieren mit dem Grausen des Krieges, der bald ein Ende haben wird, aber kein gutes für die Deutschen. Deswegen hat er sich auch mit Heinrich überworfen und seine pazifistisch gesinnte Schwiegermutter betrachtet ihn als innerfamiliäre Opposition. Erholung muss her! Der "Schwieger-Tommy" ist ruhebedürftig, delikat und überhaupt "ein rechter Pimperling", wie ihn seine spöttische Schwiegermutter heimlich nennt.Kerstin Holzer nutzt also die Wochen am Tegernsee um mir den anderen Thomas Mann zu präsentieren: den Ehemann und Vater, den Schwiegersohn und Hundeherrn. Und mit ihm bekommt auch Katia Mann eine nicht unerhebliche Rolle im Roman zugesprochen, denn sie ist nicht nur eine selbstsichere und kluge Frau und Mutter, sondern die heimliche Königin eines Künstlerhaushalts.Die Familie Mann ist eine temperamentvolle, oft lustige Familie mit Sinn für individuelle Kuriositäten. Der Vater Thomas Mann passt daher kaum in das klassische Männerbild des frühen 20. Jahrhundert. Er empfindet nicht zwingend pures Elternglück, die lärmenden Kinder nerven schnell und er wird aufbrausend, weil er sich bei seiner Arbeit gestört fühlt. Sonderlich strapazierfähig ist er also nicht. Gleichzeitig ist er ein progressiver Vater, der sich im Fasching gutmütig als Zauberer verkleiden lässt. Und dem Strenge, Zucht und Ordnung eher fremd erscheinen, vielmehr erlaubt er allen Familienmitgliedern maximale Entfaltung. Selbst gefangen in seinen homoerotischen Fantasien wird er für Erika und Klaus der große Versteher gleichgeschlechtiger Liebe. So viel zu seiner Rolle als Familienoberhaupt.Er ist ein moderner Mann mit seinen Ambivalenzen, fürsorglich und narzisstisch, nachdenklich und hyperempfindlich, erotisch fluide und dennoch treu.Doch Thomas Mann ist ein weit komplexerer Mann. Er ist ein treuer Ehemann, Katia braucht sich nicht um etwaige Liebschaften zu sorgen. Sie kennt ja ihr "liebes Rehherz" und sie weiß auch um seine viel zu männliche Sensibilität, die verdächtig macht, außer in seinen Romanen und Erzählungen. Sie weiß ja, dass Thomas Mann findet, nicht erfindet. Dass er sich in seinem Werk künstlerische ausspricht, die Masken fallen lässt und von sich schreibt "von mir, von mir ..." , immer nur von sich, den Sehnsüchten, der Scham und vor allem von den Ängsten: dass jede Form von Anderssein zum Außenseiter macht und Gefühle einen preisgeben.Diesen Thomas Mann muss ich erst mal verdauen. Viele werden ihn auch so kennen, ich gehörte nicht dazu, doch nun habe ich ein klein wenig mehr verstanden von ihm und seinen Werken. An den Zauberberg werde ich mich nicht wagen, doch das autobiografische Büchlein "Herr und Hund" steht für dieses Jahr auf meinem Leseplan und ich werde immer wieder gerne an den Roman "Thomas Mann macht Ferien" zurückdenken.FazitThomas Mann macht Ferien ist, wie das von Frido Mann stammende Zitat auf dem Buchrücken ausdrückt "Ein meisterhaftes Psychogramm, das in Thomas Mann einen nachdenklichen, überraschend menschlichen Künstler voller Ambivalenzen entdeckt." Auch ich habe den Roman mit Staunen und echter Anrührung gelesen.