Wenn Familie Mann in den Urlaub aufbricht, wirkt es wie ein Umzug auf einen fernen Kontinent. Die Hauptlast der Organisation und des Zusammenhaltens von Kind und Kegel und Hund obliegt Katja, geborene Pringsheim, seine Ehefrau und Vertrauten. Während ein Schriftsteller sich zurückziehen kann, um über Herr und Hund zu schreiben, muss die Ehefrau zusehen, dass möglichst alle satt und zufrieden werden in diesem letzten Kriegssommer, im Jahr 1918. Dass bei der Rückkehr nach Wien kaum noch etwas so bleibt, wie es war, ahnt man zwar, aber in der Idylle von See und Bergen denkt man doch gerne etwas anderes.
Dass es sogar zwischen den Eheleuten vertraute und einsame Momente gibt, die sich in der Stadt so kaum finden lassen, erstaunt eigentlich nicht. Jeder Mensch hat einmal das Bedürfnis nach Liebe und Nähe, abendlichen Bootsfahrten und nächtlichem Tête-à-tête. So kommt es dass sich im Laufe des Sommers der Vater und sein jüngstes Kind, die kleine Elisabeth, sehr nahekommen und dass das sechste Kind eher ungeplant auch noch Einzug halten wird in die wilde Geschwisterschar. Am 21. April 1919 wird es als Michael Thomas Mann geboren, aber da ist das Buch von Kerstin Holzer längst beendet.
In die Sommerfrische kommt natürlich auch der eine oder andere Besuch, wirklich witzig ist das Erscheinen der Pringsheims, ihres Zeichens die Schwiegereltern des großen Schriftstellers, die mit etwas Abstand zur Villa Defregger Quartier nehmen. Obwohl so gar nicht politisch auf einer Linie, verträgt man sich und die Oma ist eine bevorzugte und begnadete Vorleserin für die größeren Kinder. Der Opa (nicht so vordergründig) auch derjenige, der die finanziellen Spielräume des Ehepaars Mann und ihrer Kinder erheblich vergrößert. Auch Thomas Manns Freund, der Germanist Ernst Bertram, erscheint zu gegebener Zeit, als endlich für ihn ein Zimmer gefunden ist und macht mit Thomas Mann wohl recht philosophische Spaziergänge.
Kerstin Holzer hat unheimlich viele Details über diesen Sommer, über Manns geistiges Umfeld und alles, was mit seinem Werk zusammenhängt, erkundet. Mir war es fast zu viel des Guten, manchmal hätte ich mich lieber mehr auf die Familie oder das Schaffen von Mann konzentriert. Der Stil und Ton dieses Buches macht Thomas Mann alle Ehre, passt sich ihm wie ein leichter Sommermantel fließend an.
Fazit: Wer immer mal wieder etwas Neues und noch nicht so sehr Bekanntes über den großen Dichter lesen möchte und wissen, wie er sich fühlt, wenn er auf einen etwas höheren Berggipfel steigt, um in die Zukunft seines Zauberbergs zu schauen, der ist hier richtig. Und wird sich bestimmt auch gut unterhalten fühlen. So wie ich.