Spoilerwarnung: Diese Rezension spricht offen über Ton, Haltung und Figurenentwicklung und kann Leseeindrücke vorwegnehmen.Sommerhaus mit Swimmingpool hat mich auf eine unangenehme Weise mitgenommen. Herman Koch springt zu Beginn ungewohnt durch Zeiten und Szenen, aber sobald man sich daran gewöhnt, erkennt man den roten Faden - vor allem den unmittelbaren Zugang zur Psyche des Erzählers. Aus der Ich-Perspektive taucht man tief in Marc Schlossers Kopf ein und denkt jede seiner zynischen, verächtlichen und oft erschreckend kalten Überlegungen mit.Marc ist für mich eine zutiefst verstörende, unsympathische, ja: kranke Figur - ein Egozentriker, der sein Zynismus als Weltklugheit tarnt. Besonders widerlich fand ich seine Weltsicht auf Frauen; dass er diese dann "biologisch" rationalisiert, macht es noch unangenehmer. Marc ist nicht der "zerrissene Mensch, der das Falsche tut" - er tut das Falsche und hält es für richtig. Diese Mischung ist brandgefährlich. Genau hier liegt Kochs Stärke: Er zeichnet Marc so konsequent abstoßend, dass man trotzdem gebannt weiterliest.Spannend ist, wie Koch mit wenigen Sätzen Marcs Gedankenwelt auf den Punkt bringt und wie er dessen Haltung auch dann nicht wirklich kippen lässt, als der Vorfall mit der Tochter geschieht. Marc ändert situativ seinen Blick, hinterfragt aber sein Grundgerüst nicht. Vordergründig spricht er von Familie - tatsächlich dreht sich alles um sein eigenes Wohl.Und trotzdem - oder gerade deshalb - ist das Buch gnadenlos kurzweilig. Kochs Stil ist messerscharf: bissiger Wortwitz, präzise Formulierungen, ein unerbittlicher, schwarzer Humor, der die Seiten fliegen lässt. Ich wollte dem Buch aus Ekel fast einen Stern geben, aber das wäre am Ziel vorbeigeschossen, denn genau diese Reaktion provoziert Koch bewusst - und literarisch brillant.Nachhall: Das Buch ist nicht "nur" provokant; es bleibt hängen. Mich hat weniger die Handlung beschäftigt als die Frage, wie schnell Zynismus sich als Vernunft tarnt - und wie bereitwillig man einer klugen, aber moralisch verrotteten Stimme folgt, wenn sie nur eloquent genug ist. Diese Reibung zwischen Faszination und Abscheu hat mich noch lange nach der letzten Seite begleitet.Fazit: verstörend, eiskalt, zynisch - und verdammt gut geschrieben. 4 von 5 Sternen.