Aus meiner Sicht eines der schwächsten Werke des Autors. Vielleicht nur ein Werkzeug der Rache
Die Originalausgabe dieses Romans erschien 2016 unter dem Titel "Cinco esquinas". Der erfolgreiche Geschäftsmann und Ingenieur Enrique Cárdenas wird von dem Boulevardjournalisten Rolando Garro mit Fotos von einem sexuellen Fehltritt erpresst. Er weigert sich jedoch, darauf einzugehen.Die Geschichte spielt zum größten Teil während der letzten Jahre der Regierungszeit Alberto Fujimoris, lediglich das letzte Kapitel ("drei Jahre später") spielt nach deren Ende. Den Zustand des Landes (Peru) zu der Zeit, schildert Vargas Llosa in den schrecklichsten Farben: gefährlich wegen des allgegenwärtigen Terrorismus, größtenteils verarmt und durch und durch korrupt bis in die Regierung. Das war sicherlich auch so, hat aber insofern ein "Gschmäckle", als es der Autor selbst war, der 1990 die erste Wahl gegen Fujimori verlor. Jedoch ist die vollkommen durchtriebene und verlogene Korruptheit des Geheimdienstchefs unter Fujimori, Vladimiro Montesinos, den Vargas Llosa nur den "Doktor" nennt, eindeutig nachgewiesen. Dennoch kann ich mich des Eindrucks nicht so ganz erwehren, dass Vargas Llosa mit diesem Buch auch Rache nehmen wollte für die Machenschaften des Geheimdienstchefs gegen seine Person. Dazu passt auch die aufklärerische Ausgabe der Boulevardzeitschrift gegen Ende. So dichtet er Rolando Garro schließlich sogar Würde an, weil er versucht hat, dem Druck zu entkommen: "Er hatte seine Würde, ganz bestimmt, wollte nicht länger die Kloake für das Regime von Fujimori spielen, das Klo, durch das die ganze Kack der Regierung rauscht. (Suhrkamp Tb, 1. Aufl. 2017, S. 262)Vargas Llosa versteht das Handwerk des Erzählens im Grunde meisterhaft, in diesem Roman jedoch berichtet er zu sehr, die handelnden Personen bleiben charakterlich blass und wirken beliebig. Zwischendurch weicht die Geschichte auf Nebenschauplätze aus, die die Handlung nicht voranbringen, wie die Story von Lucianos Großeltern oder die ausführlichen Beschreibungen sexueller Handlungen, die im Grunde überhaupt nicht zur Geschichte passen, sondern wie die Schilderung erotischer Altherrenfantasien wirken - und vielleicht auch sind.Ich habe einiges von Vargas Llosa gelesen. Dieses Werk ist mit Sicherheit eines seiner Schwächsten. Manchmal beschleicht mich das Gefühl, der Autor wird mit zunehmender Erfahrung schlechter statt besser. Zwei Sterne.