Spoilerwarnung: Es werden Ton/Struktur und einzelne späte Details angedeutet.Frankie Machine ist für mich ein klassischer Don Winslow: coole Hauptfigur, knappe Dialoge, dunkle Vergangenheit - und ein Finale, das zündet. Was Winslow hier großartig macht, ist der Einstieg: "unaufgeregt", aber niemals langweilig. In den ersten Kapiteln begleitet man einen 60-jährigen Mann bei seinem Tagwerk in San Diego; Routine, Rituale, kleine Geschäfte. Trotz auktorialer Erzählhaltung sitzt man praktisch in Frankies Kopf - man mag ihn sofort. Winslow zieht nach und nach Vorhänge hoch: Stückchen Biografie statt Infodump.Dann Kapitel 8: Boom. Der Anschlag trifft nicht nur Frankie, er erwischt auch mich als Leser kalt. Im Rückblick ist es logisch (Jobangebot, Vorzeichen), aber Winslow hat mich - genau wie Frankie - so in diesen Ruhestands-Rhythmus gewiegt, dass ich es "hätte kommen sehen müssen". Dieses Einlullen ist Absicht und funktioniert perfekt.Frankie selbst ist die Sorte Figur, die Winslow so gut kann: Profi mit Kodex. Er war Mafioso durch und durch, und wenn "ein Job" zu erledigen war, war es eben ein Job - nicht mehr, nicht weniger. Moralische Selbstzerfleischung wie bei Denny Malone aus Corruption gibt es hier seltener; Frankies Kompass heißt Fairness und Loyalität. Gerade deshalb trifft ihn die Erkenntnis, "dass die Zeiten sich geändert haben", hart - das späte Gespräch mit Mike Pella bringt das auf den Punkt: alter Ehrenkodex vs. neue, schmutzigere Spielregeln.Zur Struktur: Die Rückblenden sind grundsätzlich stark eingebaut (Regen ans Fenster, Frankie erinnert sich - das passt), sie erklären nicht nur, sie umkodieren die Gegenwart. Allerdings verlieren sie zwischendurch etwas an Zug: lange Passagen mit vielen Namen nehmen dem Plot zeitweise den Dampf. Am Ende zahlen sie sich aus; das Puzzle rastet ein und man lüftet gemeinsam mit Frankie den Vorhang.In der Schlussphase dreht Winslow dann den Regler hoch: sehr kurze Kapitel, wechselnde Blickwinkel, rasanter Takt - ab da ist das Buch nicht mehr aus der Hand zu legen. Dialoge bleiben kernig, das San-Diego-Setting wirkt nie wie Deko, sondern wie moralischer Raum: Orte sind Zugehörigkeiten, Loyalitäten haben Geografie.Unterm Strich: nicht der epische Sog der Art-Keller-Trilogie, nicht ganz die cineastische Wucht von Corruption, aber ein sehr stimmiger, lakonischer Winslow mit starker Figur, schlauem Aufbau und einem Finale, das liefert. 4 von 5 Sternen.