Ein stiller, eindringlicher Politthriller, der mehr unter der Oberfläche spielt als auf der großen Bühne - Betrug ist keine klassische Kriminalgeschichte, sondern eine vielschichtige Erzählung über Macht, Schuld und moralische Zerrissenheit.Úrsúla Aradóttir ist keine Heldin im herkömmlichen Sinn. Ihre Rückkehr nach Island und der Wechsel in die Politik wirken fast wie eine Flucht - vor den inneren Narben ihrer Arbeit in Krisengebieten und der Entfremdung von ihrer Familie. Sigurðardóttir gelingt es eindrucksvoll, diese zerrissene Figur zwischen Verantwortung, Müdigkeit und unbedingtem Gerechtigkeitssinn zu zeichnen. Gerade diese Widersprüche machen Úrsúla zu einer der glaubwürdigsten Protagonistinnen, denen man im Genre begegnet.Der Thriller entwickelt seine Spannung nicht durch reißerische Wendungen, sondern durch stetig wachsenden moralischen Druck, politische Intrigen und das Gefühl, dass niemand wirklich aufrichtig ist. Die politische Kulisse Islands wirkt kühl und klaustrophobisch - perfekt eingefangen, fast beklemmend realistisch. Besonders stark sind die Passagen, in denen Opfer keine Stimme bekommen und das System mehr schützt als aufklärt. Genau dort wird die Geschichte zutiefst relevant und erschütternd.Ein kleiner Kritikpunkt: Die Erzählung wirkt stellenweise etwas spröde und distanziert - ein Stilmittel, das zwar zur Thematik passt, aber emotionale Nähe gelegentlich erschwert.Fazit:<br data-start="1492" data-end="1495">Betrug ist ein ruhiger, intelligenter Thriller, der tiefgründige Themen verhandelt und mit einer außergewöhnlich komplexen Hauptfigur punktet. Politisch aktuell, psychologisch scharf beobachtet und atmosphärisch dicht. Ein lesenswerter Roman - mit einem halben Stern Abzug für kleine Längen.