Ein schlafloser Mann auf der Suche nach sich selbst - unterhaltsam, aber am Ende unbefriedigend
Der namenlose Icherzähler leidet, ohne dass ihm sonst etwas körperlich fehlt, an fortdauerndem Schlafmangel. Er ist ein Mann in mittleren Jahren, der seine höchst erfolgreiche Gattin managt, die bildende Künstlerin ist. Die Ehefrau schickt ihn zur Kur zu Prof. Trinkl, der in den Dolomiten ein hemetisch abgeschirmtes Privatsanatorium betreibt; der Professor scheint in ihn hineinzusehen, und der Held unternimmt alle möglichen Wellness- und Kosmetikkuren - von Dampfbädern bis Botox -, um Körper und Geist wieder fitzubekommen. Aber der Professor und seine seltsamen Methoden werden ihm immer unheimlicher und so flieht er in einem Schneesturm und eilt, auf eigene Faust, ohne jemandem Bescheid zu sagen, zu seinem Schulfreund Jesper in den Odenwald.Jesper, der immer von einem selbstbestimmten autarken Leben geträumt hat, betreibt mit seiner Frau Martha einen Selbstversorgerbauernhof; der Held darf bleiben, wenn er tüchtig mithilft und sich so Kost und Logis verdient. Das archaische Leben, die harte Arbeit auf dem Feld und im Stall, in die er sich rasch fügt, beglücken und erfüllen ihn, sein Körper wirkt gestärkt, und auch der Schlaf kommt nun brav jede Nacht. Derart euphorisiert wünscht er sich ein Leben, wie Jesper und Martha es führen, fern von Stadt und Frau und seiner Vergangenheit. Nur leider entwickelt er im Laufe des Sommers immer stärkere Allergiesymptome: Gegen die Katzen auf dem Hof, gegen die Blüten und Gräser, die er mit der Sense schneidet, und Jesper bedeutet ihm, dass er zu seinem eigenen Besten den Hof verlassen muss.Bei einer nächtlichen Autofahrt kommt es zu einem Unfall, den der Held nahezu unbeschadet übersteht, während Jesper dabei ums Leben kommt. Auf einmal fühlt sich der Held vollständig körperlich und seelisch befreit und kehrt mit sich im Reinen in die Stadt zu seiner Frau zurück.Timon Kaleyta spielt in diesem Roman gekonnt mit literarischen und kulturellen Leitmotiven. Die abgeschiedene Heilanstalt ist eine Mischung aus Zauberberg, kafkaesker Bastion und einem dieser durchdesignten Stützpunkte von James-Bond-Bösewichten. Das ostentativ beschworene Glück des harten, einfachen Landlebens kennen wir von Tolstoi, von Stifter und Hamsun. Der Professor beglückt seine Patienten täglich mit Klopstock-Zitaten, und der Held singt Matthias Claudius ("Der Mond ist aufgegangen") und - etwas irritierend - Hans Baumann ("Es zittern die morschen Knochen").Keine Frage, es macht im Ganzen schon Spaß, das zu lesen, die Prosa läuft flüssig und elegant, da und dort spitzt es satirisch durch, unser Selbstoptimierungswahn ebenso wie die allseits grassierende nostalgische Landlebenssehnsucht, die uns Großstadtkinder Zeitschriften mit Obstkuchenrezepten und blühenden Bauerngärten auf die Kaffeetische unserer Altbauwohnungen auslegen lässt.Aber was will uns der Autor nun tatsächlich nahebringen mit seiner durch und durch altmodischen Heldengeschichte, die den Protagonisten nach überstandenen Prüfungen triumphieren lässt? Dass wir nur auf uns selbst hören sollen und uns von falschen Idolen fernhalten? Aber was heißt das, wenn weder Botox noch das Melken vor Sonnenaufgang für den Helden wie für uns das Richtige zu sein scheinen? Dass der Autor eine Antwort zu haben scheint, aber sie nicht mit uns teilt, erscheint mir der größte Schwachpunkt dieses Buches, das doch so sehr so tut, als hätte es die Lebensklugheit mit Löffeln gefressen.