Seid ihr bereit für Amrum?
Wieder nimmt Anne Barns ihre Leser*innen mit auf die Reise auf die nordfriesische Insel, die zum Schauplatz einer interessanten Selbstfindungs-Geschichte in der kalten Jahreszeit wird.
Das Cover setzt auf bewährte Muster. Alle Bücher von Anne Barns sind harmonisch aufeinander abgestimmt; Muscheln und Kuchen spielen eine gewichtige Rolle. Auf diese Weise wird Sichtbarkeit in den Buchhandlungen garantiert. Der Titel integriert gängige Begriffe aus der Seefahrt und bleibt im Gedächtnis haften.
Zeitlich gesehen, spielt das Buch auf mehreren Ebenen. Einmal in der Vergangenheit, aus der Sicht der selbstbewussten Mina, die sich von einem aufgeweckten Kind im Laufe der Zeit zu einer erfolgreichen Geschäftsfrau auf Amrum mausert. Andererseits aus der Sicht von Julia, einer arbeitslosen 38jährigen Buchhändlerin, die nach der Trennung von ihrem untreuen Lebensgefährten mit ihrem 88 Jahre alten Großvater, einem pensionierten Lehrer, unter einem Dach gelebt hat. Sein Tod lässt sie aus dem inneren Gleichgewicht geraten. Als sie in seinem Nachlass ein vergilbtes Quittungsbuch und ein altes Foto von Amrum findet, macht sie sich auf die Reise aus dem Ruhrgebiet auf ihre Lieblingsinsel, wo sie viele glückliche Sommer mit ihren verstorbenen Großeltern erlebt hat.
Inhaltlich gesehen, handelt es sich um eine Fortsetzung des Bestsellers "Der Duft von Kuchen und Meer". Anne Barns erzählt eine in sich abgeschlossene Geschichte, die keinerlei Vorkenntnisse voraussetzt; wichtige Informationen aus dem ersten Band werden gleichsam nebenbei vermittelt. Im Mittelpunkt steht Julia, eine sympathische Frau, die sich selbst verloren hat und neu (er-) finden muss. Sie ist eine liebenswerte Protagonistin, mit der man sich selbst leicht identifizieren kann. Auf Amrum trifft sie auf viele freundliche Menschen, wie die Konditorin Maren und ihre Tochter Leni aus dem ersten Band "Der Duft von Kuchen und Meer", die ihr Glück auf Amrum gefunden haben. Auch Julia fühlt sich magisch angezogen von Amrum, ihre tiefe Verbindung zur Nordsee wird mit (in ihrer Familie nicht thematisierten) familiären Bindungen erklärt. Für mein persönliches Empfinden ist dieser literarische Kunstgriff nicht notwendig, es hätte es nicht zwingend eines komplizierten Familienstammbaums bedurft, um ihre Liebe zur Nordsee erklären zu können, wohl aber für die Aufnahme in die nordfriesische Gemeinschaft. Es ist eine ruhige, verhaltene Geschichte, ohne große Überraschungen, aber mit vielen Emotionen. Abgerundet wird die Lektüre durch mehrere Rezepte, die von der begeisterten Hobby-Bäckerin Anne Barns stammen. Ihr selbstgemachtes Nougat ist köstlich.
Alles in allem hat mir meine Lektüre gut gefallen. Für mich ist der Roman "Der Klang von Wind und Wellen" die perfekte Lektüre für eine literarische Auszeit, nicht zwingend im gemütlichen Strandkorb, sondern auch im heimischen Ohrensessel. Wer sich mal wieder ans Meer (und auf die Insel) träumen und selbstgebackene Spezialitäten am heimischen Herd ausprobieren möchte, sollte nicht warten. Einmal Amrum und zurück - es lohnt sich!