Das Buch vom Süden

Erzählen kann er wie kaum ein anderer! Doch Achtung: es geht nicht um Spannung, sondern ums Leben. Einfach ums Leben. Die Welt zwischen Gefühltem und Erfundenem.André Heller erweist sich in seinem Roman"Das Buch vom Süden" zu meinem nicht geringfügigen Erstaunen als grandioser Erzähler. Erzählt wird das Leben des Julian Passauer, von seiner Kindheit an in Wien, seinen eindrücklichsten Eindrücken vom Elternhaus bis in sein Erwachsenenalter hinein, währenddessen er überall hin reist, bis zu seiner Seßhaftwerdung in San Celeste in Italien, bis ganz hin zum Ende. Aber"Das Buch vom Süden"ist weit entfernt von einem gewöhnlichen Roman und auch weit entfernt von dem, was man gemeinhin eine straffe Handlung präsentieren, nennen mag. Passauers Leben bildet lediglich den losen Rahmen, seine Biografie ist eine sehr locker gehaltene rote Linie, aber eigentlich geht es um Betrachtungen über das Leben, die deutsche Geschichte, seltsame Erlebnisse und seltsame Menschen und das in einer Sprache, die nur verblüffen kann angesichts ihrer Ausführlichkeit, ihrer Details und ihrer Schönheit. Ist es erlebt, was er erzählt und denkt, der Protagonist? Hellers Julian denkt zum Teil durchaus esoterisch, was ich eigentlich nicht mag, dann aber wieder hat die Erzählung mit all den skurrilen Personen, die auftauchen, einen solchen Charme, das ist große Kunst, ob man es zugeben mag oder nicht. Es geht in dem vorliegenden Roman auch darum, dass das Erzählen an und für sich schon einen Wert darstellt - und einfach gar nicht um Spannungsbögen und dergleichen, mit anderen Worten, man muss empfänglich sein für lyrische Formulierungen und die sogenannte schöne Seele der Literatur, damit man ausschöpfen kann, was einem geboten wird, mit leichter Hand, mit Humor, mit Nachdenklichkeit, träumend, sinnend, menschliches Denken und Fühlen auslotend. Fazit:Für mich eine der schönsten Erzählungen, die ich in den letzten Jahren gelesen habe. Kategorie:  Anspruchsvoller RomanVerlag: Paul Zsolnay, 2016

Julian Passauer hat eine wesentliche Erbschaft gemacht. Sein Vater hat ihm die Sehnsucht nach dem Süden tief ins Herz eingepflanzt. Dabei hatte er nie etwas entbehren müssen. Seine Kindheit war wohlbehütet und harmonisch, er wuchs als Sohn eines stellvertretenden Direktors des Kunstmuseums in Schloss Schönbrunn auf. Doch trotz der Schönheit in seiner Umgebung bekam er vom Vater oft genug zu hören, dass das wahre Leben sich nur im Süden ereignet, wobei der ¿wahre¿ Süden auch immer nur eine vage Andeutung war, viel näher als Italien im Urlaub kam die Familie dem Süden nicht. Deshalb machte Julian nach der Kindheit eine Schiffsreise um Afrika und beschließt danach, durch das Pokerspiel seinen Lebensunterhalt zu verdienen. Als er damit erfolgreich war, trieb es den ¿fleißigen Taugenichts¿ weiter um, die Schönheiten und die lebenswichtigen Wege zu finden. Zur Ruhe kommt er am Gardasee, dort kann er sich auf sich besinnen, lebt den Drang nach Verstehen und Erkenntnis aus, wobei auch die Beziehung zu Frauen eine Rolle spielt, die ihn dabei ein Stück mittragen, doch letztendlich zieht er doch wieder weiter.André Hellers Werk ist keine schwere Kost, sie erfordert vom Leser jedoch allerhöchste Konzentration. Die fehlenden Spannungsbögen, die Teil des Romankonzepts sind, gleicht der Autor durch stilistisch ausgefeilte Gedankengänge und vor allem wunderbare Naturbeschreibungen wieder aus.Die Geschichte ist eine Mischung aus Alltagsphilosophie und Reflektionsanalyse. Daraus entsteht ein Angebot für den Leser, wie er den Roman für sich anwenden möchte, wenn er es dann vorhat. Es ist ein Plädoyer für die Entwicklung der Sinne durch Beobachtung und Probieren, ein in sich gekehrter Roman, dessen Wirkungen nach außen sicher nicht Ziel des Autors waren. Man unterstellt Heller einfach den Glauben an die Fähigkeit des Lesers, dieses Angebot zu nutzen und das Zwiegespräch mit sich selbst zu suchen. Das ist ihm nur teilweise gelungen, denn dazu ist die Hauptperson des Julian zu dominant und zu wankelmütig. Zudem verliert sich Heller oft in langen Sätzen, die die Konzentration des Lesers auf eine harte Probe stellen.Dennoch, niemand sollte sich deshalb abhalten lassen, den Roman zu lesen. Es ist ein schönes und ein stilles Buch. Vielleicht sogar ein Sehnsuchtsbuch, denn der Süden mit seiner eigentlich banalen Anziehungskraft, kann auch Frieden vermitteln, selbst wenn das immer nur eine individuelle Interpretation bleiben kann.