Besprechung vom 17.07.2025
Vom Rhein in die Rhön
Gerade ist es wieder so weit: Im Eiltempo preschen die Athleten bei der Tour de France durch Alpen und Pyrenäen auf der Jagd nach Punkten, Geld und bunten Trikots. Das Feld von Kletterern, Sprintern und Rouleuren jagt durch Frankreich - aber man kann es auch etwas ruhiger angehen lassen und muss dabei nicht einmal Hessen verlassen. 13 Etappen schlägt Anja Zeller in ihrem im Societäts-Verlag erschienenen Band "Hessen erradeln" vor, um das Land bei Touren zwischen Bad Karlshafen und dem Odenwald zu erkunden.
Man kann Zeller mit einiger Berechtigung selbst als Profiradfahrerin bezeichnen, auch wenn es ihr dabei nicht um Zeiten und Rekorde geht. Denn die Hanauerin ist die Geschäftsführerin des hessischen Landesverbands des Verkehrsclubs Deutschland. Somit ist ihr Einsatz für gute Radverbindungen im Alltag und in der Freizeit Teil ihrer Arbeitsbeschreibung. Dazu passend hat sie 13 Tagesausflüge und Wochenendtouren zusammengestellt, vom tiefsten Punkt Hessens am Rhein bis hin zum Gipfel der Wasserkuppe reichen die Vorschläge.
Wer übrigens die beiden Marken direkt verbinden will, der ist laut Zeller 207 Radkilometer und rund 14 Stunden unterwegs. Zu den steilen Passagen der Touren hat Zeller immerhin einen Trost im Gepäck: Auf jeden Anstieg folge eine Abfahrt. Apropos Gepäck: Auch den Ratschlag, an Getränke und Proviant zu denken, gibt die Autorin. Denn nicht in jedem Ort gebe es Einkaufsläden, und manche Gaststätte öffne nur am Wochenende.
Gerade die Flussradwege, darauf weist Zeller in ihrem Vorwort hin, eignen sich gut für Anfänger und Familien. Entsprechend führt ihre erste Tour entlang des Rheins über eine der populärsten Radrouten Hessens: Es geht von Lorch entlang des Stroms nach Eltville, in zwei Stunden kann man die 32 Kilometer lange Strecke absolvieren. Kernstück ihrer Tipps ist eine detaillierte Wegbeschreibung immer auch mit Hinweisen auf die Beschaffenheit der Radwege vom gut ausgebauten Teil entlang der Bundesstraße 42 bis hin zu "erdig steinigen Wegen" am Niederwalddenkmal. Ergänzt wird die Routenführung durch Hinweise auf Sehenswürdigkeiten, lokale Besonderheiten und natürlich Tipps für eine Einkehr.
Die Touren selbst sind das eine, die An- und Abreise das andere. Deswegen beginnen und enden die Fahrten an Bahnhöfen, und zwar an barrierefreien: "Fahrräder steile Treppen hinauf- oder hinunterzutragen macht nämlich keinen Spaß." Zudem sei es durch die Kombination von Rad und Bahn möglich, Touren mit unterschiedlichem Start- und Endpunkt zu bestreiten. Weitere Kriterien für Zellers Auswahl sind eine zuverlässige Beschilderung und die gute Qualität der Wege.
Der nördlichste Vorschlag führt die Radfahrer entlang der Diemel von Willingen im Upland mit der Mühlenkopfschanze, der größten Skisprungschanze der Welt, bis zur Mündung des Flüsschens in die Weser nach Bad Karlshafen. In Osthessen schlägt Zeller neben der Wasserkuppe die ehemalige innerdeutsche Grenze für eine Radwanderung vor; im Süden geht es von Seligenstadt am Main nach Hirschhorn am Neckar durch den Odenwald. Für das Rhein-Main-Gebiet empfiehlt sie eine Tour de Frankfurt, bei der die Großstadt auf dem Grüngürtel umrundet wird. Vier Etappen hat Zeller für das geographische Zentrum Hessens vorgesehen: Glauburg, Gießen, Kirchhain und Lauterbach markieren die Routen durch den Vogelsberg.
Ohne eine Tour mit Märchenbezug wäre kein Radführer durch Hessen komplett: Zellers Vorschlag für einen Rundweg mit Ausgang in Wächtersbach führt auch durch Steinau, dort haben die in Hanau geborenen Märchensammler und Sprachwissenschaftler Jacob und Wilhelm Grimm ihre Kindheit und Jugend verbracht. Dazu gibt es auch eine kleine Ausstellung im Renaissanceschloss der Stadt. HANNS MATTES
Hessen erradeln, Anja Zeller, Societäts-Verlag, Frankfurt 2025, 256 Seiten
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