
Besprechung vom 25.11.2025
Nur schöne Architektur ist nachhaltig
Neuer Band plädiert für dauerhafte Bauten
Über das Thema Bauen wird in jüngster Zeit meist nur unter den Gesichtspunkten von Menge und Geschwindigkeit diskutiert. Dabei scheine "der Blick für das Wesentliche abhandengekommen zu sein", meinen die Frankfurter Architekten Jens Jakob Happ und Helmut Kleine-Kraneburg. "Es gelingt uns offenbar nicht mehr, unsere gebaute Umwelt so zu gestalten, dass wir uns in ihr wohl fühlen", schreiben sie im Vorwort eines Sammelbandes, den sie unter dem Titel "Für eine nachhaltige Architektur der Stadt" zusammengestellt haben. Am Montagabend wurde das Taschenbuch mit 16 Aufsätzen aus unterschiedlichen Disziplinen im Deutschen Architekturmuseum in Frankfurt vorgestellt. Zum Teil basieren die Texte auf Vorträgen bei Veranstaltungen der Frankfurter Stiftung Urban Future Forum, dessen Vorstand die Herausgeber angehören.
Das titelgebende Thema Nachhaltigkeit wird in dem Band umfassender als üblich interpretiert. Zwar werden durchaus ökologische Themen behandelt. Volker Mosbrugger, Präsident der Polytechnischen Gesellschaft, weist darauf hin, dass 38 Prozent aller emittierten Treibhausgase auf den Bau und Betrieb von Gebäuden zurückzuführen sind. Und die Architektin Anna Heringer, die in diesem Jahr mit dem Max-Beckmann-Preis der Stadt Frankfurt ausgezeichnet worden ist, erläutert im Gespräch mit den Herausgebern die Vorzüge des klimaneutralen Baustoffs Lehm.
Häufiger wird Nachhaltigkeit als Dauerhaftigkeit interpretiert. "Nur langlebige Architektur ist nachhaltig", überschreibt Vittorio Magnago Lampugnani, ehemaliger Direktor des Deutschen Architekturmuseums, seinen Beitrag. Um Ressourcen zu schonen, dürften Häuser nicht leichtfertig abgerissen werden, fordert er. Damit Gebäude leichter erhalten werden können, müssen nach Ansicht des Frankfurter Rechtsanwalts Thomas Schröer die dem Neubau verpflichteten Bauordnungen verändert und zu Umbauordnungen werden.
Die Herausgeber scheuen sich nicht, den angesichts funktionaler Zwänge oft verpönten Begriff der Schönheit in dem Band zu thematisieren. Frank Dievernich, Vorstandsvorsitzender der Stiftung Polytechnische Gesellschaft, trifft eine pessimistische Feststellung: "Wir gestalten nicht mehr die Umwelt, in der wir leben wollen, sondern werden durch ökonomische Faktoren gestaltet, bei denen Schönheit und Aufenthaltsqualität keine Rolle mehr spielen." Der Wirtschaftswissenschaftler wünscht sich "Heilung durch Schönheit" und ist sich darin einig mit dem Architekturhistoriker Wolfgang Sonne, der eine "nachhaltige Stadtästhetik" fordert.
Ökonomische Aspekte werden dennoch nicht ausgeblendet. Mehrere Beiträge befassen sich mit dem Thema "einfaches Bauen". Und der bayerische Bauunternehmer Ernst Böhm, der bei der Buchvorstellung mit der Architektin Elisabeth Endres diskutierte, hält es für möglich, 100 Prozent mehr Wohnungen zu 50 Prozent geringeren Kosten zu bauen. Nachhaltigkeit heißt für ihn auch, Schulden zu vermeiden. GÜNTER MURR
Der Band "Für eine nachhaltige Architektur der Stadt" ist im Wagenbach-Verlag erschienen und kostet
Alle Rechte vorbehalten. © Frankfurter Allgemeine Zeitung GmbH, Frankfurt am Main.Es wurden noch keine Bewertungen abgegeben. Schreiben Sie die erste Bewertung zu "Für eine nachhaltige Architektur der Stadt" und helfen Sie damit anderen bei der Kaufentscheidung.