Håkan Nesser schafft es wie kaum ein anderer, Atmosphäre zu erzeugen, ohne sie groß auszuformulieren. Schon auf den ersten Seiten zieht er einen in die stille Melancholie seines Erzählers hinein - in eine Welt, in der Verlust, Entfremdung und Einsamkeit spürbar werden, ohne dass sie laut benannt werden müssen.Die Stärke des Romans liegt klar in der ersten Hälfte: psychologisch dicht, ruhig erzählt, mit einem feinen Gespür für Zwischentöne und innere Zerrissenheit. Besonders gelungen ist die Art, wie Nesser Gegensätze zeichnet - das pulsierende Leben einer Großstadt auf der einen Seite und einen Protagonisten, der darin wie ein Fremdkörper wirkt.Im letzten Teil jedoch verändert sich der Ton deutlich. Aus der subtilen, psychologisch vielschichtigen Geschichte wird ein konventioneller Thriller, der für meinen Geschmack nicht mehr so recht zum vorherigen Aufbau passt. Auch die Auflösung bleibt hinter den Erwartungen zurück - einige Erzählstränge verlieren sich, andere werden zu schnell abgehandelt.Trotzdem bleibt ein Buch, das sprachlich und atmosphärisch stark ist und über weite Strecken fesselt.<br data-start="1657" data-end="1660">Nur schade, dass es am Ende etwas die Richtung verliert - sonst hätte es locker für vier Sterne gereicht.