Eine umfangreiche Erweiterung des Werkes von Murakami, endlich auch um eine weibliche Protagonistin, die ihr Rampenlicht jedoch teilen muss.
1Q84 galt für mich vor dem Erscheinen der Ermordung des Commendatore aufgrund des Umfangs als möglicher Kulminationspunkt im Werk Murakamis, an den ich mich lange nicht herangetraut hatte und dann von anderen großartigen Büchern des Autors auch bereits etwas übersättigt war. Anfang des Jahres wurde ich dann jedoch in meiner Neugier getriggert, da das Buch im Bekanntenkreis aufgetaucht ist.Wie bei vielen Murakamis hab ich das Buch regelrecht verschlungen, im Schreibstil bleibt der Autor sich ebenso wie in der magisch realistischen Konzeption treu. Neu scheint die Wahl von zwei sich aufeinander zubewegenden Perspektiven, wobei endlich auch eine weibliche (und starke) Protagonistin Einzug in das Werk Murakamis findet. Die Rolle der Frau bleibt zwischen den Zeilen auch das zentrale Thema. Zunächst stellen die modernen Hauptfiguren die Verkehrung klassischer Verhältnisse dar: während der männliche Part sich in geistiger und kreativer Arbeit erst durch weibliche Schlüsselfiguren etablieren kann und von einer psychoanalytischen Aufarbeitung seines Mutterkomplexes geradezu verfolgt wird, verkörpert die Protagonistin eher typisch männliche Eigenschaften der Härte, der körperlichen Stärke und des Hedonismus. Jedoch wird sie zunehmend mit den misogynen Gesellschaftsstrukturen konfrontiert, Femizid und häusliche Gewalt werden zu ihrer Motivation sich in einem feministischen Akt der Selbstjustiz als Rächerin zu etablieren, nur um letztlich doch der gesellschaftlichen Macht über die vermeintlich biologisch begründete Rolle der Frau zu unterliegen. Nach dem ersten deutschen Teil, der Buch 1&2 umfasst, wird eine hohe Erwartungshaltung für den abschließenden zweiten Teil gesetzt, da die beiden Handlungsstränge bereits eine Verbindung erahnen lassen. Ohne von diesem bereits alles vorweg zu nehmen lässt sich jedoch schon resümieren, dass die Symbolik nicht ganz so filigran, die Geschichte ausgefranster ist als bspw. In Mister Aufziehvogel oder Kafka am Strand. Es bleibt ein wirklich gutes Buch, welches zumindest für mich aber dann doch nicht als Murakamis magnum opus in Erinnerung bleiben wird.