Immerhin schon zwanzig Jahre alt ¿ vielleicht liegt es daran ¿ mir sagte der Roman so gar nicht zu.
Präliminarien:In der Regel bespreche ich irische Literatur positiv. Denn obwohl Marcel Reich-Ranicki von ihr einst sagte: "Ich habe einen Widerwillen gegen die irische Literatur, ich kann das nicht ertragen, immer die Slums und immer wird gesoffen und ein bisschen gekotzt zwischendurch. Elend und muffiger Katholizismus. (15.12.1996)", bin ich meistens ganz angetan von ihr (Anna Burns, Sebastian Barry, Gerard Donovan, Anne Enright, Colm Tobin - um nur einige gute Autoren zu nennen). Trotzdem mag es stimmen, was MRR zum Beispiel über James Joyce sagt: "Das weiß man, dass der Ulysses in Deutschland maßlos überschätzt wird. Er wird ja nur deshalb so überschätzt, weil ihn kaum jemand gelesen hat. (14.5.1990)Kurz und gut, ich stehe irischer Literatur trotz ihrer pessimistischen Grundausrichtung grundsätzlich positiv gegenüber. Und John Banville (geb. 1945), aus der Generation also derer, die noch wussten, wie erzählen geht, erhielt für "The Sea" 2005 den Man Booker Prize. Wenn das kein Grund dafür ist, seinen Roman zu lesen!Ich liebe den Man Booker Prize. Die Romane, die die jeweilige Jury auswählt, Sieger, Shortlist plus Longlist, enttäuschen mich selten. John Banville hat es geschafft: er hat mich enttäuscht. Mit diesem Roman. Ich schließe es nicht aus, es mit einem weiteren Roman von ihm zu versuchen. Eine solche Enttäuschung kann ich eigentlich nicht so stehen lassen ... .Die eigentliche Besprechung: Der Protagonist Max Morden, der vor kurzem seine Frau verloren hat, sucht Heilung von seinem Trauerschmerz in dem kleinen Badestädtchen Ballyless, in dem er mit seinen Eltern einst urlaubte und wo er die Familie Grace kennenlernte. Die kommode Ferienwohnung mit dem malerischen Namen "Zu den Zedern", in der die Graces ihre Sommer verbrachte, ist mittlerweile zu einer Pension geworden. Dort nistet sich Max ein und hängt seinen, leider sehr langweiligen Erinnerungen nach.Der Duktus des Romans ist sehr ruhig und reflexiv. Dies allein wäre nicht verwerflich. Doch Max ist äußerst introvertiert und dreht sich um sich selbst in immer neuer Routierung. Man erfährt nur wenig von den Personen, die ihm einst wichtig waren. Die ersten 150 Seiten des Romans ziehen sich hin wie Kaugummi und die Sprache ... seht selbst: "Indem sie (seine kindliche Jugendliebe) mich von der Welt loslöste und mich dadurch erkennen ließ, dass ich ein losgelöstes Wesen war, schloss sie mich von dem Gefühl der Immanenz allen Seins aus, von dem Allsein, das mich umfangen hatte, in dem ich bis dahin in mehr oder minder glücklicher Unwissenheit gelebt hatte." Was für eine überspannte Sicht auf eine Jugendliebe. Der Roman hat nur wenig Verbindung zu seinem angeblichen Motiv, der Trauer um die an Krebs gestorbene Ehefrau. Von der Ehe erfährt man nicht viel, die Tochter wird als unattraktiv dargestellt. Männersicht! Die Besessenheit von den Gerüchen, die (angeblich) geliebte Personen (Frauen) ausströmen, kommt bei mir auch nicht gut an.Schließlich und endlich, rückt der Autor mit der Sprache heraus, dass Max Jugendliebe (wenn man sie denn so nennen will) zusammen mit ihrem Zwillingsbruder, der übrigens nicht sprechen kann, ohne dass dafür ein medizinischer Grund ausgemacht bzw. genannt würde (wie glaubwürdig ist das denn), ertrunken ist. So mir nichts, dir nichts, sind sie, als ausgezeichnete Schwimmer bekannt, nach einer kleinen Auseinandersetzung ins Meer gestiegen, so weit hinausgeschwommen, dass sie nicht mehr zurück konnten und ersoffen. Nun, das wäre ein guter Twist gewesen, stünde er nicht völlig zusammenhanglos im Raum. Der Roman geht dann zu Ende ohne irgendetwas erhellt zu haben.Nun gut, das Leben ist manchmal so. Nicht alles ist erklärbar, manches passiert halt, ohne Grund, einfach, weil es passiert. DennochFazit: mir hat das nicht gefallen, zu manieriert, zu egozentrisch, zu pseudo-philosophisch, zusammenhanglos, zu übertrieben und zudem: leider extrem langweilig. Roman: Anspruchsvolle LiteraturKiepenheuer & Witsch, 2006Auszeichnungen: Man Booker Prize, 2005(SuB-Befreiung: 2025)