Der US-amerikanische Erfolgsautor Jonathan Safran Foer zeigt in diesem Werk weder Scheu vor großen Themen noch vor literarischen Zitaten großer Romane.
Sein Protagonist Oskar Schell erinnert nicht nur durch die für Amerika unübliche Schreibweise an seinen Namensvetter Oskar Mazerath aus Günter Grass¿ Blechtrommel. Beide Jungs kommen recht altklug daher und haben ein bisweilen nervtötendes Musikinstrument auf ihren Streifzügen dabei, bei Matzerath ist es die titelgebende Blechtrommel, Foer bedient sich eines Tambourins. Oskar Schell ist durch den Tod seines Vaters traumatisiert, der beim Anschlag auf die New Yorker Twin Towers ums Leben kam. Zu seinen Lebzeiten stellte der Vater Oskar gerne verzwickte Rätselaufgaben, und nun meint er in seinen Hinterlassenschaften ein letztes gefunden zu haben. Auf der Suche nach Lösung begibt er sich auf eine wundersame Wanderung durch New York, er glaubt eine Person Namens Black kann ihm helfen, nur gibt es davon leider Tausende. Seine Begegnungen mit unterschiedlichsten Charakteren erinnern mich an Paul Austers New-York-Trilogie, auch dort spielt der Familienname Black eine gewichtige Rolle und auch Austers Figuren sind stets Suchende.
Jedoch nehme ich Auster seine erdachten Personen ab, bei Foer tue ich mich hier oft schwer. Fast bin ich geneigt, manches als Traumsequenz der blühenden Fantasie des Jungen zu lesen, aber so ist es nicht geschrieben.
Ein weiterer Kritikpunkt gilt den verschiedenen Erzählebenen. Denn Foer belässt es nicht dabei, die Geschichte des traumatisierten Oskars auszuführen. Nein, es muss noch mehr Drama her, und das kommt in Form von Oskars Großvater, der die Luftangriffe auf Dresden während des Zweiten Weltkriegs miterleben musste und dadurch seelisch so verletzt wurde, dass er nach und nach verstummte. Seine Ehe basiert auf skurrilen Verboten und Reglements, zuoberst dem des Nicht-Darüber-Sprechen-Könnens. Und auch damit nicht genug, nein, Foer zaubert aus seiner Autoren-Pandora-Büchse auch noch schnell den Atombombenabwurf über Hiroshima. Ehrlich gesagt weiß ich nicht wieso. Ja, Hiroshima, Dresden und New York haben Gemeinsamkeiten, in all diesen Städten mussten durch zuvor unvorstellbare, brutale, von Menschen verursachte Gewaltakte große Teile der Bevölkerung sterben und viele der Überlebenden wurden stark traumatisiert. Aber mir fehlt die historische Einordnung, ich finde es nicht in Ordnung, diese drei geschichtlichen Ereignisse ohne großen Kommentar nebeneinander zu stellen.
Die für ein Paperback ungewöhnlich gute Ausstattung mit zahlreichen, teils sogar farbigen Abbildungen hätte eine positive Erwähnung verdient - wäre da nicht am Ende das unsägliche Daumenkino eines vom brennenden World Trade Center stürzenden Menschen. Man kann die letzten Seiten des Buches zwischen den Fingern schnell vor- und zurückblättern und so die Person wahlweise in den Tod stürzen oder wieder nach oben in die Luft fliegen lassen. Das mag man als progressiv und experimentell bezeichnen, ich finde es pietätlos den Opfern der Terroranschläge gegenüber und potenziell verletzend für deren Angehörige.
Ich kann diesen Roman daher nur bedingt empfehlen.