Das nächste Jahrzehnt gilt als die Dekade der Erben. Denn all diejenigen, die in der Nachkriegsgeneration zu Wohlstand gekommen sind, kommen so langsam in die Jahre und müssen ihr Vermögen "umverteilen", sprich weitergeben. Kinder und Enkel erben - und damit aber nicht nur Geld, sondern unter Umständen auch Verpflichtungen, Unternehmen und Lebenspläne. Was das mit den Menschen machen kann, beschreibt Julia Friedrichs in ihrem spannenden Sachbuch "Wir Erben".Mehrere Jahre hat die Autorin versucht, Erben und Erbende zu Interviews zu bewegen und musste dabei feststellen: über Geld spricht man nicht. Je mehr man hat, um so mehr bleibt man unter sich. Warum eigentlich - um den Neid der anderen zu vermeiden? Die Interviews, die sich dann doch ergaben, zeigen ein faszinierendes Panorama: vom Sohn, der sich vom reichhaltigen Erbe eine schöne Wohnung für die Familie kauft, aber ständig die neidischen Blicke seiner Freunde ertragen muss. Von der Enkelin, die in einen Erbstreit sondersgleichen gerät und doch eigentlich "nur" ihren ihr zustehenden Anteil will. Und von Patriarchen, die nicht zulassen, dass ihr Nachwuchs auch nur einen anderen Lebensweg in Betracht zieht. Selbstverständlich wird die Firma übernommen. "Wollten sie dies nicht, hätten meine Frau und ich als Vorbild versagt.", wird ein mittelständischer Unternehmer zitiert.Neben den Gesprächen mit unmittelbar Betroffenen gibt es viele Informationen über steuerliche Belange und Ämter wie Betreuer und Nachlassverwalter, sodass auch ein gutes Basiswissen zum Thema vermittelt wird. Dabei baut die Autorin das Buch sehr geschickt auf: schildert sie zu Beginn die Fälle, bei denen man einen leisen Anflug von Neid nicht verhehlen kann - wer hätte nicht gerne sein Leben so abgesichert, dass auch eine falsche Entscheidung keine weitreichenderen Konsequenzen hat - so kommen nach und nach die Schattenseiten von festgelegten, fast feudal altmodisch anmutenden Lebensvorstellungen und riesigen Geldsummen zum Vorschein. Die verschiedenen Problematiken werden sehr gut herausgearbeitet, und zum Schluss ist man als Leser dann fast froh, dass dieser Kelch an einem vorübergeht. Dass man sein eigenes Leben leben kann, auch wenn man manchmal auf den Kontostand achten muss. Dass man etwas, für das man spart, viel mehr wertschätzen kann.Ein sehr informatives und vielseitiges Buch zu einem Tabuthema, das mir zuvor gar nicht bewusst war. Die Interviews lesen sich lebendig und spannend, auch das Basiswissen wird in einer verständlichen Sprache vermittelt, was bei solchen Themen sicher nicht immer einfach ist. Ein wichtiges Gesellschaftsthema, ansprechend verpackt - so muss ein Sachbuch für mich sein!