Zeit für einen wiederentdeckten Klassiker
Leonardo da Vinci ist im Verzug. Das "Abendmahl" soll endlich fertig werden. Der Prior des Klosters beklagt sich schon beim Herzog über die Untätigkeit des Malers. Er könne den Anblick des Gerüsts in seinem Speisesaal nicht mehr ertragen. Aber Leonardo ist immer noch auf der Suche nach einem Judas. Der Renaissance-Künstler will einen Menschen, kein Abziehbild. Dass das womöglich der Realität entsprach, erzählt Vasari in seinen Künstlerbiografien. Darin heißt es, Leonardo "scheine es unmöglich, passende Gesichtszüge für jenen zu erfinden, dessen trotziger Geist nach so vielfach empfangenen Wohltaten des Entschlusses fähig gewesen wäre, seinen Meister, den Erretter der Welt, zu verraten; nach diesem letzteren indes wolle er suchen ... "
Perutz lässt Leonardo "den allerschlechtesten Menschen in ganz Mailand" suchen, einen, dessen Stolz "ihn Verrat an seiner eigenen Liebe begehen" lässt. Während drin noch über die Fertigstellung des Gemäldes diskutiert wird, kommt vor den Fenstern ein Pferdehandel zustande. Ein weitgereister Böhme namens Joachim Behaim verkauft dem Herzog zwei edle Pferde. Der ungewöhnlich anzusehende Mann mit "furchterweckendem Aussehen", dem Leonardo kaum Aufmerksamkeit schenkt, ist eine Art Kohlhaas. Er hat in Mailand noch Schulden einzutreiben, begibt sich dabei in gefährliche Umgebung und verliert vor Habgier seine Liebe. Am Ende hat Leonardo seinen Judas. Aber die Wahrheit hat er nicht gefunden.
Eine Geschichte, die Historie und Fiktion verbindet. Eine Geschichte über die Entstehung von Kunst, über die Renaissance, Liebesverrat und Geiz. Figuren, die man aus Shakespeares Stücken kennt. Schön komponiert und verschlungen. Die einzige wirklich sympathische Figur ist der kriminelle Nichtsnutz Mancino, ein liebenswertes Portrait des französischen Dichters François Villon.
Für Freunde der Kunst.