Examensarbeit aus dem Jahr 2011 im Fachbereich Geschichte Deutschlands - Nationalsozialismus, Zweiter Weltkrieg, Note: 1, 5, Eberhard-Karls-Universitä t Tü bingen, Sprache: Deutsch, Abstract: In Deutschland wurden direkte medizinische Tö tungen mit dem fortschreitenden 19. Jahrhundert und unter dem wachsenden Einfluss des wissenschaftlichen Rassismus in intellektuellen Kreisen in einem immer breiter werdenden Spektrum diskutiert.
Fü r die Entwicklung und die zumindest im Diskurs etablierte Rolle des Gnadentods geistig behinderter Menschen war die Unterstreichung und die hervorgehobene Gewichtung der Integritä t des organischen Volkskö rpers , also die Definition des Volks als ein rassisch- kulturelles Kollektiv, dessen Fortbestand es auch unter biologischen Aspekten zu sichern galt, elementar.
Um die Erbgesundheit der arischen Volksgemeinschaft zu stü tzen und diese somit zu optimieren, bedienten sich die Nationalsozialisten Mitteln wie der Zwangssterilisierung und der euphemistisch als Euthanasie titulierten Ermordung als unheilbar oder erbkrank befundener Patienten psychiatrischer Einrichtungen.
Die in medizinischen Fachkreisen angeheizten Debatten ü ber Sterilisationen tendierten immer mehr zu der Vermutung hin, dass radikalere Maß nahmen nö tig seien . Der Grundsatz, dass die Beseitigung lebensunwerten Lebens als legitime Aufgabe des Staates anzusehen sei, manifestierte sich mehr und mehr als Grundsatz in der Volksauffassung. Die im Reich verbreiteten Heil- und Pflegeanstalten fü r geistig und kö rperlich behinderte Menschen manifestierten sich zu wichtigen Zentren fü r die Entwicklung des Euthanasiebewusstseins.
Grafeneck, auf dessen Gebiet am 18. Januar 1940 die systematische, von staatlicher Seite angeordnete und mit Hilfe staatlicher Organe vollstreckte Vernichtung von Menschen durch medizinisch verbrä mten Massenmord begann, umschrieben durch den verschleiernden Begriff der Euthanasie , dem schö nen Tod" und auf dessen Gelä nde zwischen Januar und Dezember 1940 10. 65 Menschen den Tod fanden, besitzt als Symbol fü r die systematische Ermordung behinderter Menschen im Nationalsozialismus eine herausragende Bedeutung fü r die Geschichte Deutschlands, speziell des deutschen Sü dwestens.
Mit der gleichzeitigen Erfassung aller jü dischen Patienten in den psychiatrischen Einrichtungen Wü rttembergs und Badens und ihrer Ermordung in Grafeneck, sowie der spä teren Ü bernahme der Technologie und des Personals der Gasmordanstalten begann hier ein Weg, der in die Ermordung der deutschen und europä ischen Juden mü ndete: Die Spuren der Tä ter fü hren von Grafeneck in die Vernichtungslager im Osten: Belzec, Treblinka und Auschwitz-Birkenau.