In seinem Thriller "Die Professorin" entwirft Matthias Ernst ein fein komponiertes Spannungsgefüge zwischen Wissenschaft, Verbrechen, Krankheit, Macht und moralischer Verantwortung. Schon auf den ersten Zeilen zieht der Autor seine Leserschaft mühelos in seine Geschichte hinein- nicht durch laute Effekte, sondern durch einen ruhigen, flüssigen stil, der einen sofort im Geschehen verankert.
Besonders hervorzuheben sind die besonderen, facettenreichen Charaktere, die Ernst mit spürbarer Sorgfalt und psychologischem Feingefühl zeichnet. Sie sind keine bloßen Schachfiguren der Handlung, sondern glaubwürdige Menschen mit inneren Konflikten, Ambivalenzen, Problemen und Eigenheiten. Dadurch gewinnt der Thriller eine Tiefe, die über das Genre hinausgeht.
Der Spannungsbogen bleibt durchgehend präsent, wenn auch eher subtil, als atemlos. Leider wird meiner Meinung nach zu früh deutlich in welche Richtung sich das Geschehen entwickelt- der Täter zeichnet sich relativ bald ab. An dieser Stelle hätte dem Thriller ein stärkeres Spiell mit falschen Fährten oder unerwarteten Wendungen gutgetan. Gleichwohl gelingt es Ernst, das Interesse bis zuletzt aufrecht zu erhalten, was vor allem der atmosphärischen Dichte und der präzisen Figurenzeichnung zu verdanken ist.
Insgesamt ist "Die Professorin" ein intelligenter, angenehm lesbarer Thriller, der nicht auf plumpe Schockmomente setzt, sondern auf leise Spannung, glaubwürdige Psychologie und ein feines Gespür für menschliche Abgründe.