Mit der phantastischen Wachheit des Einsamen registriert Herr Geiser die kleinen Anzeichen einer denkbaren Katastrophe. Das Tal ist durch Unwetter von der Umwelt abgeschnitten. Gefaßt darauf, daß eines Tages der ganze Berg ins Rutschen kommt und das Dorf verschüttet für alle Zeit, liest Herr Geiser im Lexikon, in der Bibel, in Geschichtsbüchern und schreib ab, was nicht vergessen werden soll.
Max Frisch, geboren am 15. Mai 1911 in Zürich, arbeitete zunächst als Journalist, später als Architekt, bis ihm mit seinem Roman Stiller (1954) der Durchbruch als Schriftsteller gelang. Es folgten die Romane Homo faber (1957) und Mein Name sei Gantenbein (1964) sowie Erzählungen, Tagebücher, Theaterstücke, Hörspiele und Essays. Frisch starb am 4. April 1991 in Zürich.
In Max Frischs Erzählung "Der Mensch erscheint im Holozän" geht es um Herrn Gneiser, der an Demenz leidet und recht abgeschieden in einer Hütte in einem Bergdorf wohnt. Das Tal ist durch ein Unwetter von der Außenwelt abgeschnitten und Gneiser verbringt seine Tage damit, aus Zeitungen und Büchern abzuschreiben, was er nicht vergessen möchte. Sein Haus verwandelt er in ein Zettel beheftetes Lexikon. Immer wieder stellt Gneiser sich in seiner Einsamkeit Fragen, die seine verblassenden Erinnerungen meist nicht mehr beantworten können. Wie heißen die drei Enkelkinder?Doch es kommt, wie es kommen muss, die Krankheit schreitet fort und am Ende bricht des Lesers Herz (ich sag aber nicht, warum, spoileralarm), denn Herr Gneiser ist ein warmherziger Charakter, schrullig, klug und sofort sympathisch. Seine Einsamkeit und Stille, das verlorengehende Selbst ist eindringlich beschrieben. Eine Lektüre wert!
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