Frankfurt Beats von Oliver Baier ist kein klassischer Thriller es ist ein düsteres, verdammt atmosphärisches Debüt, das mehr über die Gegenwart erzählt, als viele lautere Bücher es je könnten. Und das schon mit der ersten Seite.
Im Zentrum steht Milan: jung, verloren, drogenvernebelt, zerrissen auf der Flucht vor sich selbst und dem Tod seines Zwillingsbruders. Statt Trauerbewältigung gibts Absturz in Frankfurts Clubnächte. Aber Baier macht aus ihm keine Figur zum Mitleiden, sondern eine, bei der man mitgeht, obwohl man nicht immer mit ihr mitfühlt. Und das ist genau richtig so. Frankfurt ist dabei nicht Kulisse, sondern Mitspieler. Zwischen Bankentürmen und Bahnhofsviertel, zwischen Glanz und Dreck pulsiert ein Beat, der mehr ist als Soundtrack: Er ist Taktgeber für Milans Verdrängung, Halt in der Haltlosigkeit und irgendwann: Risiko.
Was Baier kann: Figuren schreiben, die nicht sauber einzuordnen sind. Martina, die Auftragskillerin mit Reue. Eine Rechtsradikale, die ausgerechnet von denen Hilfe braucht, die sie hasst. Und Milan, der mal egoistisch, mal zärtlich, mal völlig neben sich steht. Kein Schwarzweiß, sondern durch und durch grau. Und das tut weh aber auf die gute Art. Der Thrillerplot läuft mit, klar. Aber die Spannung kommt nicht aus dem Whodunit, sondern aus der Frage: Wie weit kann ein Mensch zerbrechen, bevor nichts mehr übrig bleibt? Und was passiert, wenn plötzlich doch noch jemand die Hand reicht?
Baier schreibt klar, direkt, mit genau dem richtigen Maß an Poesie. Kein Stil-Gehampel, kein Pathos aber immer wieder Sätze, die sitzen. Und der Rhythmus: wie ein DJ-Set. Mal laut, mal leise, aber nie beliebig. Frankfurt Beats ist kein Buch, das gefallen will. Es konfrontiert. Mit Schmerz, mit Rausch, mit Schuld. Aber es erzählt auch von Sehnsucht, von Überleben, von Veränderung. Für ein Debüt? Unfassbar souverän.
Fazit: Wer Thriller will, bekommt Spannung. Wer mehr will, bekommt alles. Pflichtlektüre für alle, die wissen wollen, wie sich deutsche Gegenwartsliteratur anfühlen kann, wenn sie was zu sagen hat.
10/10 - Jahreshighlight