Enfant terrible, Fernsehphilosoph, König philosophieaffiner Meme-Pages, Dauerschreiber, Hassfigur vieler etablierter Philosoph*innen, kluger Beobachter, polemischer Provokateur all das und noch mehr trifft wohl auf den slowenischen Slavoj Žižek zu. Seine Veröffentlichungen sind kaum noch zählbar und reichen von hoch theoretischen philosophischen Abhandlungen bis hin zu knappen Zeitungsessays.
Bei Unordnung im Himmel handelt es sich um letzteres, d.h. eine Sammlung gesellschaftskritischer und die Tagespolitik kommentierender Texte. Thematisch geht es um Corona, den russischen Angriffskrieg, die Schwäche der US-Linken und Julien Assange. Wie immer rechnet der Autor scharf mit politischen Gegner*innen ebenso wie mit innerlinken Debatten ab, nutzt popkulturelle Referenzen für seine Argumentation und schwankt dabei zwischen Pauschalisierung und Differenzierung.
Žižek zu lesen, kommt auch in diesem Fall mit diversen Vor- und Nachteilen einher.
Zunächst die Vorteile:
1. Mit seiner ziemlich bissigen Art trifft er öfter den Nagel auf den Kopf.
2. Die Texte sind trotz der vielen theoretischen Anspielungen verständlich. Ist man mit der Theorie dahinter vertraut, wird deutlich, dass viele der scheinbar pauschalen Urteile deutlich differenzierter sind. Das geht bei der Polemik oft mal unter.
3. Er lässt sich nicht wirklich in eine politiktheoretische Schublade einordnen, beschreibt er sich doch selbst als linken Konservativen. Das fordert gedanklich heraus, was ich grundsätzlich ziemlich gut finde.
Nachteilig finde ich:
1. So klug und belesen er ist, so seltsam einfach und problematisch kommen manche Ansichten daher. Die autoritäre Forderung nach einem neuen Kriegskommunismus beispielsweise. Auch die Passagen zu Rammstein sind mindestens schlecht gealtert. Oder seine Auslassungen gegenüber einiger feministischer Positionen. Es wäre zu leicht, das als alter weißer Mann wird senil abzutun, wo er mit Luce Irigaray Kritik an Judith Butler übt und sich durchaus mit den inhaltlichen Argumenten auseinandersetzt, aber unkritisch lesen sollte man ihn eben auch nicht und schon gar nicht so idealisieren, wie es manchmal passiert.
2. Ich kann den Žižek gegenüber geäußerten Vorwurf des Schwafelns nachvollziehen. Einige Themen wiederholen sich. Klar ist auch, dass er rhetorisch auf den Ersten Blick auch bei Dingen überzeugend klingt, die man doch nochmal hinterfragen sollte.
3. Bis man die Rezension zu einem neuen Buch geschrieben hat, ist schon wieder mindestens ein weiteres neues Buch von ihm erschienen.
Wer auf der Suche nach kurzen, bissigen Texten ist und dabei unterhalten werden möchte, wird mit diesem Buch fündig. Etwas Vorwissen ist dabei sinnvoll, um die Texte entsprechend einordnen zu können sowohl Vorwissen über Žižek als auch über die angesprochenen Themen.