Besprechung vom 14.01.2019
Die Reise der Mary Ventura
Eine Erzählung von Sylvia Plath entdeckt
Das Werk der 1963 im Alter von nur dreißig Jahren aus dem Leben geschiedenen amerikanischen Schriftstellerin Sylvia Plath ist schmal: Zu Lebzeiten erschienen nur der Gedichtband "Der Koloss", der Roman "Die Glasglocke" und einige Erzählungen in Zeitschriften; aus dem Nachlass kam dann vor allem Lyrik dazu. Deshalb ist die Entdeckung einer bislang unbekannten Erzählung von Sylvia Plath ein Ereignis. "Mary Ventura and the Ninth Kingdom" hatte sie noch als Studentin 1952 für das Magazin "Mademoiselle" geschrieben, in dem Sylvia Plath wiederholt veröffentlichte. Doch die Geschichte über Mary Ventura wurde abgelehnt, und das Manuskript lag seitdem im Archiv der Korrespondenz verborgen. Dort entdeckte es die Literaturwissenschaftlerin Judith Glazer Raymo im vergangenen Jahr. Anfang Januar ist die Geschichte nun als schmales Buch von 48 Seiten in England erschienen (bei Faber & Faber), in dieser Woche folgt die amerikanische Publikation (bei HarperCollins).
Sylvia Plath erzählt von der Zugreise einer Frau, Mary Ventura, die plötzlich durchs Fenster eine außer Kontrolle geratene Welt beobachtet, was aber keinen ihrer Mitreisenden zu interessieren scheint. Die Geschichte weist albtraumartige Züge auf und mündet in eine Apotheose der Titelfigur, nachdem sie durch eine Notbremsung der unheimlichen Gesellschaft im Zug entkommen konnte. Die dunkle Stimmung der Erzählung passt zum traditionell tragisch geprägten Bild der Schriftstellerin, die mit dem englischen Dichter Ted Hughes verheiratet war. Diese Ehe und Hughes' etwaige Mitschuld an Plaths Freitod ist der Gegenstand zahlreicher Spekulationen. Der große Erfolg von Sylvia Plaths Büchern setzte erst postum ein.
apl
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