Nach einem (falls man vornehmlich Romane liest) gewöhnungsbedürftigten Einstieg, zieht das Werk, sobald man sich an den recht ruhig dahinfließenden Blankvers gewöhnt hat, den Leser wortwörtlich "schlagartig" (Vers 830) in seinen Bann. Mitunter schweift Herr Wiener etwas ab, wenngleich ich die Bedeutung aller Einzelheiten, Anekdoten, Geschichten, Charaktere beim ersten Lesen noch nicht vollständig erfassen konnte. Spätestens ab dem zweiten Akt jedoch, nimmt das Stück gewaltig an Fahrt auf, bis es schließlich unversehens seinem katastrophalen Ende im fünften Akten ungehalten entgegenrauscht. Die Stimmung der letzten Szenen lässt einen gewiss nachdenklich zurück, mir jedenfalls gehen manche Stellen nicht aus dem Kopf.
Nach dem "Dramatischen Gedicht in fünf Akten" (wie der Verfasser sein Werk betitelt), folgt noch ein Kompendium mehrerer Schriften, was zunächst überraschte, dann erfreute - lesenswert auf jeden Fall!
Erst nach Beendigung des Lesens, bemerkte ich das junge Alter des Autors (etwa 18 Jahre), als ich mich mit meiner Tochter, welche mir zwei Tage zuvor das Buch mit den teilweise altbekannten Worten: "Nimm und lies! Es macht mich schwindelig..." in die Hände drückte, über den Lesegenuss austauschte, was beim Lesen selbst kaum deutlich wird, ist die Sprache klar, sind die Gedanken reif, ist die Handlung durchdacht, usw. Einzig die teilweise übersprudelnde Leidenschaft und Begeisterung des jungen Dramatikers wirken stellenweise unbezwungen. Doch gerade dieses Kriterium ist es wohl, was ein Erstlingswerk auszeichnet: das kindliche Spiel mit Normen, Formen und Situationen.
Von ein paar unscheinbaren Tippfehlern abgesehen, ist das Lektorat makellos. Wer Hardcover gewöhnt ist, wird Nachsicht zeigen müssen, da es sich um ein Taschenbuch handelt. Pro Seite sind es bis zu 46 Zeilen / Verse, was, verglichen mit üblichen Taschenbüchern (ca. 26 - 36 Zeilen pro Seite) ungemein viel ist, wodurch das in seiner Ausdehnung und Tiefe wahrhaft epische Werk (10.500 Verse) auf gut 300 Seiten dargeboten werden kann. Die Schrift ist gut leserlich, der Satz dem Lesefluss dienlich (siehe Leseprobe). Die Umschlaggestaltung ist zwar ungewöhnlich, dennoch macht sich das blau gehaltene Buch gut im Regal und ist ein echter Hingucker.
Fazit: Wer eine gelungene Abwechslung zur Schwemme an Romanen auf dem deutschen Büchermarkt sucht, ist mit diesem Erstlingswerk des jungen Dichters gut beraten. Die 12,50 € sind gut investiert.
Daher: Klare Kaufempfehlung!!
Siegmund Zischke