
Besprechung vom 18.09.2025
Standardwerk zur Wiesn
Vom legendären Wiesn-Wahnsinn ist auf den 224 Seiten nichts zu sehen. Von den wankenden Lederhosen-Monstern, den volltrunkenen Dirndl-Hasen, den Saupreißn in Discounter-Trachten, der Schickeria mit Champagner-Maßkrügen, den unverfrorenen Unter-den-Tisch-Pinklern oder den Bier-Zombies auf dem Kotzhügel. Nein, dieses Werk ist kein Sachbuch, keine Sammlung von realitätsnahen Reportagen. Nein, dieses Buch ist eine Hommage, eine Würdigung, eine einzige Huldigung. Zwar schreibt auch Franz Kotteder von "Münchens wichtigstem Ausnahmezustand", aber er meint das im besten Sinne. An der einen oder anderen Stelle mag man einen Hauch von Ironie, Spott oder Sarkasmus aus seinen Zeilen herauslesen, aber tatsächlich geht es in seinem bei Callwey erschienenen Buch "Oktoberfest" nirgends um die Schatten-, sondern nur um die Sonnenseiten des größten Volksfestes der Welt.
Und warum auch nicht? Schließlich hat das Münchner Oktoberfest, das am Samstag wieder mit einem lauten "O'zapft is!" eröffnet wird, auch viele schöne - und aus kulinarischer Sicht auch durchaus schmackhafte - Seiten. Und denen widmet sich Kotteder, der seit mehr als drei Jahrzehnten für die "Süddeutsche Zeitung" schreibt und Jahr für Jahr von der Wiesn berichtet, in aller Ausführlichkeit.
Dass der Mann sich auskennt - auf der Theresienwiese ebenso wie in der Münchner Gastronomie generell - ist der mehr als anderthalb Kilo schweren Mischung aus Kochbuch, Lesebuch und Bildband von der ersten Zeile an anzumerken. Im hochwertigen Großformat mit üppiger Bebilderung erzählt der Autor in seinen sehr unterhaltsamen Texten zu den bekanntesten Festzelten und ihren Wirten viele "Münchner G'schichten" und stellt dazu jeweils ein paar der typischen Oktoberfestgerichte vor: von der gefüllten Kalbsbrust vom Augustiner und dem Leberknödel vom Löwenbräu über die geschmorte Ochsenbacke bei Hacker-Pschorr und dem klassischen Krustenschweinsbraten in der Metzger Stubn bis zum legendären Obazda im Spaten-Marstall.
Die sehr professionell fotografierten 50 Originalrezepte stammen von den Küchenchefs der großen und kleinen Festzelte, und sie sind allesamt auch in der heimischen Küche nachkochbar - mitunter allerdings mit einem gewissen Aufwand. Das dürfte trotzdem auch für Hobbyköche ohne Wiesn-Affinität ein echter Spaß sein. Für Oktoberfestfans ist Kotteders Buch nichts anderes als das ultimative Standardwerk. bad.
Oktoberfest
Franz Kotteder, Callwey
Verlag, München 2024,
224 Seiten
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