An dem Tag, an dem ihr Vater starb, hat Lyra Rache geschworen, an dem Mann, der ihn damals vom Rücken seines Drachen stieß. Jahre später wird Lyra selbst zur Drachenreiterin und muss dafür den heiligen Seelenbund eingehen, denn einen Drachen kann man nur zu zweit rufen. Doch als sie ihrem Seelenpartner das erste Mal in die Augen blickt, zerbricht ihre Welt: Er ist der Sohn eines Mörders und sie kann Freund und Feind nicht länger unterscheiden... Beim Lesen des Klappentextes kann man sich ein wenig an Fourth Wing erinnert fühlen, denn es geht wieder an eine Schule für Drachenreiter mit verschiedenen Quadranten, sprich Türmen, einem mehr oder weniger Verbotenen Liebesdrama und in einen grausamen Krieg. Aber es gibt auch Unterschiede, den Seelenbund etwa, oder die verschiedenen Drachenarten. Ideen hatte die Autorin jedenfalls einige. Auch die Hintergrundgeschichte der Protagonistin, die ihren Vater rächen will, ist vielversprechend, wenn auch nichts Neues. Wo liegt also das Problem der Geschichte? Auch wenn das Buch in das Genre Romantasy eingeordnet wird, so kann man doch trotzdem erwarten, dass sich eine Liebesgeschichte in einem nachvollziehbaren, realistischen Rahmen entwickelt und dass es nebenbei auch noch eine andere Handlung gibt, die aus mehr als einem seit Jahrhunderten andauernden Krieg gegen ominöse Schattenwesen (über die man auch im Laufe der Handlung kaum etwas lernt) besteht. Tja, falsch gedacht! Willkommen an der Dragonblood Academy, wir bilden Drachenreiter aus, wir kennen die Welt außerhalb unserer Mauern nicht. Das Königreich und der restliche Krieg gegen die "Noxumbra" (eine grammatikalische Grausamkeit gegen die lateinische Sprache, die sich mehr oder oder weniger zu "Nachtschatten" übersetzen lässt, Gipfel der Kreativität) werden zwar ein paar Mal genannt, aber ein Bild einer Welt abgesehen von der Academy hat der Leser hier nicht im Kopf. Es gibt nur Felsen, Meer und Türme. Und einige doch sehr klischeehafte Namen für Drachenreiterfamilien, wie beispielsweise "Brightflame", "Whitethorn" oder "Nightsinger". Es klingt eben nicht alles besser, wenn es Englisch oder Latein ist. Dann sind da noch die Protagonisten. Lyra ist wohl eine ausgebildete Kriegerin, später Drachenreiterin, ist aber auch gefühlt alle fünf Minuten eine Jungfrau in Nöten, die vom grausam perfekt aussehenden, ach so muskulösen Kael gerettet wird. Ein bisschen Klischee darf sein und sicherlich braucht man hier auch nicht den großen Wurf des nächsten Fantasy-Klassikers erwarten, aber die Autorin hat es mit den Stereotypen echt auf die Spitze getrieben. Dabei blieben die anderen Aspekte ihrer Charaktere aber auf der Strecke. Lyra wirkt naiv und als Person merkwürdig platt. Das klärt sich zwar am Ende mehr oder weniger auf, lässt sie aber in keinem besseren Licht dastehen. Kael hingegen verhält sich wie der letzte Mensch, ist extrem arrogant und sehr besitzergreifend. Irgendwann schlägt sein Spott dann in Beschützerinstinkt um, aber falls Lyra und Kael es mal geschafft haben, konstruktiv miteinander zu sprechen, dann habe ich es leider verpasst, vermutlich weil Lyra zu beschäftigt damit war, zu denken "Aber ich darf ihm nicht vertrauen, er ist der Feind. Mein Herz schlägt nur schnell, weil ich wütend bin. Ich hasse ihn" Wie gesagt, zu viel des Guten und irgendwann auch nur noch nervig. An manchen Stellen stolpern die Kapitel so vor sich hin, manche Passagen wirken unausgereift, dann wiederum gibt es Abschnitte, die trotz allem fesseln können, mit flüssigem Schreibstil überzeugen und Hinweise auf eine größere Geschichte geben, die sich im Schatten dieses überzogenen Liebesdramas versteckt. Unter dem Strich bleibt eine Geschichte der Gegensätze, voller guter Ideen, aber auch mit mäßiger Umsetzung, voller wunderbarer, majestätischer Drachen, aber auch voller Klischees (der Seelenbund muss vollzogen werden -Augenbrauenwackeln-) Wer gern Romantasy liest und ein paar Stereotype verschmerzen kann, wer gern den "dunkelhaarigen Bad Boy mit der nebulösen Vergangenheit und dem lockeren Mundwerk" mag und sich ein bisschen berieseln lassen will, der kommt hier bestimmt auf seine Kosten. Ihr Potenzial hat diese Geschichte aber leider nicht mal ansatzweise ausgeschöpft.